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B.Z. Kolumne von Bischof Christian Stäblein vom 30. Mai 2024

Für die Freiheit, gegen die Angst.

Universitäten sind Freiheitsräume. Hier wird gedacht, geforscht, gelehrt, debattiert. All das geht nur in Freiheit. Wo das Denken eingeschränkt wird, entsteht nichts Neues, sondern nur das Altbekannte.

Der größte Feind des freien Denkens ist die Angst. Wo Menschen eingeschüchtert werden, kommt das, wofür Universitäten stehen, zum Erliegen.

So ist die Besetzung von Räumen oder gar einem Institut, wie wir es derzeit an den Berliner Universitäten erlebt haben, überaus erschreckend. Mich erschüttert vor allem, welche einschüchternde Wirkung das Ganze auf jüdische Studierende hat und wohl auch haben soll.

Das umgekehrte rote Dreieck, das an Wände geschmiert war und das zur Symbolik der Hamas gehört, erinnert an schrecklichste Diskriminierung und Hetze in der Nazizeit. Wenn Jüdinnen und Juden sich nicht mehr sicher fühlen und sich nicht mehr zeigen können an der Institution, die für die Freiheit von Denken und Reden steht, ist eine Grenze mehr als nur überschritten. Dann gilt es wahrlich laut zu sagen: Nie wieder ist Jetzt.

Universitäten sind Orte der Kritik. Wahrheit vollzieht sich in kritischem Streit. Auch scharfe Kritik muss selbstverständlich immer möglich sein, ob es nun die Regierung Israels betrifft oder die Führung der Palästinenser, ob die Führung der arabischen Staaten oder der USA, Syrien, Katar, Ägypten – oder, natürlich, die der Bundesrepublik selbst. Universitäre Auseinandersetzungen leben von Kritik, politische oder gesellschaftliche Analyse erst recht. Emotionen gehören dazu.

Ich habe auch deshalb hohen Respekt vor der Leitung und allen Mitarbeitenden der Universitäten, deren Aufgabe als Erstes ist, Freiheits- und Kritikräume offen zu halten, so lange wie möglich. Und die dabei zugleich in aller Klarheit festhalten müssen: Antisemitismus ist keine Meinung; Einschüchterung, Gewalt und Angst dürfen weder offen noch subkutan zum bestimmenden Moment werden.

Als evangelische Kirche sagen wir deutlich: Antisemitismus ist ein Verbrechen, lästert Gott. Und, auch das gehört zur Kirche und zu diesem Gott; er will die Freiheit des Denkens, da hat Angst keinen Ort.