Zum Jahr der Taufe 2023 haben wir einen Glaubenskurs entwickelt für Erwachsene, die sich zur Taufe entschieden haben, oder sich für eine Taufe oder Tauferinnerung interessieren.
Der Kurs umfasst sechs Einheiten und greift grundlegende Lebens- und Glaubensfragen an Hand biblischer Personen nach, die hier als eine Art role model fungieren:
Was ist Erwachsen glauben in der EKBO?
Erwachsen glauben setzt darauf, dass Menschen, die ein Bildungsinteresse haben, aber in Glaubensfragen vielleicht aus unterschiedlichen biografischen Gründen heraus bisher eher wenig mit Glaubens- und Theologiefragen zu tun hatten, neu Interesse geweckt bekommen, um in Erstkontakte oder erneuerte Kontakte zu kommen. Oft legen wir Spuren, die vielleicht nicht immer gleich sichtbar sind. So setzen wir beispielsweise Menschen auf einer Empore in einer Kirche zusammen. Sie kriegen ein Butterbrot und einen heißen Tee. Sie reden miteinander und es tun sich Welten auf. Und wenn sie das noch nach Jahren sagen können, dann ist das so wie bei den ehemaligen Konfirmanden, die das nächste Mal erst wieder zur Trauung in die Kirche kommen und sagen: Diese Konfirmandenstunde war so unglaublich. Das hat mich mein Leben geprägt.
Warum ist Erwachsen glauben hier in der EKBO entstanden?
Wir sind in den östlichen Bundesländern mit der Tatsache konfrontiert, dass wir nach 40 Jahren Diktatur eine Generation haben, die vergessen hat, dass sie Gott vergessen hat. In dieser Zeit haben wir in der Bildungslandschaft unglaublich an Resonanzboden verloren, den es stückweise wieder zu erschließen gilt.
Wer sind die Akteur*innen?
Die Akteur*innen sind Menschen, die eigene Formate entwickelt haben und nicht immer nur eine kirchliche Biografie mitbringen. Sie entwickelten neue Fragestellungen und Angebote und verknüpften diese auch mit interessanten Formaten – seien es Gesprächs- oder Gottesdienstformate, gemeinsames Kochen, Bilderabende oder gemeinsame Reisen. Die Akteur*innen sind auch Netzwerker*innen und Unterstützer*innen für diejenigen, die in den Gemeinden selbst Bildungsangebote anbieten. Dort, wo es klar erkennbare sogenannte „Kümmerer“ und somit eine Anlaufstelle gibt, haben die Kirchenkreise stark profitiert. Das ist viel wirksamer als eine Plattform oder ein gedruckter Glaubenskurs nach dem Motto Lasst uns drüber reden. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie besonders erfolgreich Erwachsen glauben gerade in den ländlichen Bereichen funktioniert, mit direkten Ansprechpartner*innen, die mit Abendplanung und mit konkreten Ideen unterstützen können.
Was ist nach dem Ende des Projektzeitraums aus Erwachsen glauben in der EKBO geworden?
Das Projekt ist zu einer implementierten Kernaufgabe geworden. Drei Kirchenkreise sind so überzeugt davon gewesen, dass sie ihren „Kümmerern“ einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten haben.
Das ist ein großer Erfolg, verbunden mit einer enormen Nachhaltigkeit, denn diese Arbeit kann nun dauerhaft fortgeführt werden. Die Kirchenkreise hat überzeugt, dass es ein Gewinn für alle ist, wenn es noch mehr Multiplikator*innen gibt, die Bildungsarbeit unterstützen. Diese Vernetzungsarbeit, Kooperationen im Gemeinwesen, sind auf jeden Fall Operationen, die wir weiter stärken wollen. Denn Bildungsarbeit braucht Beständigkeit und Kontinuität.
Wo kooperiert Erwachsen glauben mit anderen kirchlichen Akteur*innen oder auch nichtkirchlichen Akteur*innen?
Unsere Erfahrung hat gezeigt, Kooperationen sind immer erfolgreich. Zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der Diakonie. Wir müssen uns darauf einstellen, dass unsere Mitarbeiterschaft zum Teil nicht mehr
kirchlich sozialisiert ist und einen großen Nachholbedarf in kirchlicher Bildung hat. Auch im schulischen Bildungsbereich werden wir immer mehr mit der Aufgabe konfrontiert, auch Eltern zu schulen, beispielsweise in den diakonischen Kindergärten. So erreichen wir Eltern oft überhaupt nur. Die Kooperationen mit Volkshochschulen, Vereinen und Verbänden, die in der Region aktiv sind, schätzen und wünschen wir besonders. Mit ihnen entwickeln wir gemeinsam neue Formate, besonders auch im Kunst- und Kulturbereich.
Was sind die kommenden Herausforderungen für Erwachsen glauben?
Wir haben lange Zeit in einer Engführung gesteckt und nur von Taufkursen gesprochen und das auch praktiziert. Erwachsen glauben darf auf keinen Fall dabei stehenbleiben, nur eine Kerngemeinde zu versorgen. Wir sind nicht nur Selbstversorger. Ganz und gar nicht. Unser Bildungsauftrag muss über die Kerngemeinde hinausgehen. Dazu braucht es neue Formate, die weniger voraussetzen und noch niedrigschwelliger sind. Wir müssen Menschen in ihren jeweiligen Lebenssituationen abholen, als Eltern von Kindern und Schüler*innen, als Senior*innen, die sich fragen: „Was kommt jetzt eigentlich noch? Was mache ich mit meinem Potential, in meiner Region, in meinem Dorf?“ Den Blick zu weiten und zu schauen, wer hier eigentlich zusammenkommt in welcher Situation, ist eine großartige Chance – für alle.
In diesem Bereich haben wir oft Kleinststellenanteile oder nur sehr kurz befristete Arbeitsverträge. Sind uns denn unsere Mitarbeiter*innen denn genug wert?
Bildung ist kostbar und kostet. Um es mal ganz positiv zu sagen, sie ist unser Missionsfeld, ein Feld, das ausstrahlt. Nichts interessiert Menschen mehr als Wissen, um noch mehr wissen zu können und eine Sprachfähigkeit dafür zu entwickeln. Und das ist eine Kostbarkeit, die wir uns auch etwas kosten lassen müssen. Das beginnt damit, dass wir auskömmliche Stellen schaffen, dass wir die Stelleninhaber*innen begleiten, unterstützen und in ihrer Professionalisierung fördern. Und dass wir vor allem den Blick dafür stärken, dass auch Quereinsteiger*innen ein ganz eigenes hohes professionelles Potential mitbringen. Wir wissen, dass das Einbeziehen von anderen Welten – ob Theaterpädagogik, Musik oder Naturwissenschaften – uns bereichern und für die Fragen des Glaubens nochmal ganz neue Türen aufstoßen können.
Wo haben sich auf dem Weg interessante Veränderungen ergeben?
Besonders in den Formaten. Erwachsen glauben hat sich immer weiter entfernt vom klassischen Kursmodell hin zu regional-spezifischen niedrigschwelligen Angeboten, die auf die Menschen eingehen, die sich tatsächlich vor Ort anmelden. Es gibt eben nicht dieses „One size fits for all“. Das war ein ganz wichtiger Lernschritt.
Was wünschen Sie Erwachsen glauben für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass der Begriff Erwachsen glauben in den nächsten Jahren zu einer ganz selbstverständlichen Marke wird. Keiner soll sich mehr fragen, ob das wieder so ein „Alpha-Kurs“ ist, wo ich am Donnerstagnachmittag ein Bekehrungserlebnis haben muss. Sondern, dass „erwachsen“ wirklich heißt, „er-wachsen“. Selbstbewusst, freiheitlich und mündig. Als Herr*in meiner eigenen Fragen und Antworten.
Vielen Dank!