Alles Absicht? - Ein Betriebswirt kämpft gegen geplanten Produktverschleiß

05.03.2015

Von Johannes Süßmann (epd)

 

Haushaltsgeräte, die nach nur zwei Jahren den Geist aufgeben - ist das normal? Der Betriebswirt Stefan Schridde sagt nein und wirft Herstellern mal Absicht, mal Arglist vor. Handel und Industrie reagieren gelassen.

 

5. März 2015. Berlin (epd). Eine Waschmaschine ohne Rückwand, der Blick auf die hellblaue Trommel liegt frei. "Hier sehen Sie einen wirtschaftlichen Totalschaden", sagt Stefan Schridde und deutet auf einen Metallstift im Rücken des runden Plastikbehälters: ein kaputtes Kugellager. Es auszutauschen, war einmal eine Kleinigkeit. "Doch dann haben die Hersteller beschlossen, Trommel und Lager fest miteinander zu verbinden", erklärt Schridde. Geht das Lager kaputt, muss nun die ganze Trommel ersetzt werden. Die Folge: sechsfache Arbeitszeit, sechsfache Kosten. Die Reparatur der Maschine lohnt nicht mehr - obwohl sie nur zwei Jahre lief.

 

Diese "geplante Obsoleszenz", also der gewollte, frühzeitige Verschleiß moderner Industrieprodukte ist es, was der 52-jährige Betriebswirt seit rund vier Jahren bekämpft. Ob wenig widerstandsfähige Plastikteile in Waschmaschinen; ob Drucker mit eingebauten Seitenzählern, die viel zu früh melden, die Tinte sei leer; oder die festen Verklebungen mancher elektrischer Zahnbürsten oder Milchaufschäumer, die neben dem Austausch von Akkus jegliche Form der Reparatur verhindern - Schriddes These lautet: Nichts davon ist Zufall.

 

Nicht immer sei Herstellern gleich Arglist zu unterstellen, relativiert Schridde; Absicht aber sei immer im Spiel: "Wir BWLer planen alles", sagt er. Wenn ein Produzent eine Waschmaschine für 300 Euro verkaufe, denke er eben immer auch, dass er den Kunden bald wiedersehen wolle. So seien verschiedenste Strategien entstanden, die Nutzungsdauer von Produkten zu verkürzen.

 

"Am häufigsten ist die bewusste Unterlassung", sagt Schridde. So spiele die Anweisung "Baue ein haltbares Produkt!" schlicht keine Rolle im Herstellungsprozess. Die eigentlich dafür zuständigen Ingenieure hätten keinen Einfluss auf das Design der Produkte. Sie müssten schlicht die Vorgaben von Produktentwicklern und Marketing-Abteilungen umsetzen.

 

2011 begann Schridde, im Internet über geplanten Verschleiß zu informieren. Heute folgen ihm auf Facebook mehr als 20.000 Menschen. Sein Verein "Murks? Nein danke!" betreibt eine Wanderausstellung, Ende 2014 kam mit dem "Murks.Center" in Berlin-Tempelhof eine Dauerausstellung hinzu; unermüdlich führt Schridde dort die Schwachstellen von Produkten vor. Bis zu 40 Ehrenamtliche engagieren sich für den Verein. Schridde schrieb ein Buch, 2013 baten ihn die Grünen um ein Gutachten zum Thema, regelmäßig trifft er sich mit Bundestagsabgeordneten. Geplante Obsoleszenz bewegt - aber warum?

 

Weil sie uns schon lange begleitet, sagt Schridde. Die Märkte seien schon Ende der 1980er Jahre gesättigt gewesen. Durch die Öffnung des Ostblocks und die vielen neuen Konsumenten sei das Thema jedoch zunächst wieder verschwunden. Nun aber werde klar, dass die Betriebswirtschaft bis heute keine Antwort auf das Sättigungsproblem habe. Um aber weiter Produkte verkaufen zu können, werde deren Lebensdauer verkürzt. "Und diese Beschleunigung der Märkte führt dazu, dass die Qualität zugunsten höherer Renditen reduziert wird", resümiert Schridde.

 

An Händler und Hersteller appelliert er, Verantwortung für ihre Produkte zu übernehmen. Beide Gruppen seien für den mündigen Verbraucher. Diese Rolle aber, sagt Schritte, lasse den Kunden allein. "Und dies ist auch so gewollt von der Industrie." Dabei könne es doch nicht sein, dass sich die Bürger erst einmal selbst durch 10.000 Angebote wühlen und eigene Recherchen anstellen müssten, um herauszufinden, welche Produkte gut seien und welche nicht. "Der Handel muss sein Sortiment aufräumen", fordert Schridde.

 

Der Handelsverband Deutschland (HDE) sagt dazu, dass dem Handel bereits eine wichtige Rolle bei der Vorauswahl von Sortimenten zukomme und Qualitätseinbußen grundsätzlich vom Verbraucher bestraft würden. "Es mag Einzelfälle geben", sagt Geschäftsführer Kai Falk. Grundsätzlich gelte aber, dass sich Produkte mit schlechter Qualität nicht im Markt hielten.

 

"Sogenannte 'geplante Obsoleszenz' gibt es nicht", teilt der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) mit. Qualität und Haltbarkeit seien sehr wichtige Aspekte bei der Produktentwicklung. Vorsätzlich auf schnelleren Verschleiß hinzuarbeiten, "steht im absoluten Widerspruch zum Selbstverständnis unserer Mitgliedsunternehmen."

 

Klarheit könnte eine Studie des Umweltbundesamtes bringen. Ein erstes Zwischenergebnis: Elektrogeräte werden heute früher ausgetauscht als noch vor Jahren. Bis Ende des Jahres soll nun geklärt werden, inwieweit geplanter Verschleiß dafür verantwortlich ist. Schridde ist skeptisch und warnt: Die Daten zur Studie stammten direkt vom ZVEI. Weshalb er wohl noch eine Weile weiterkämpfen wird.

 

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