Beharrlicher Streiter für Flüchtlinge in Not

01.12.2014

Der langjährige Migrationsbeauftragte der Berliner Landeskirche hört auf

Von Yvonne Jennerjahn (epd)

 

Er war der erste Ausländerbeauftragte der evangelischen Landeskirchen in Deutschland: Seit 1984 hat sich Hanns Thomä in seinem Amt für die Rechte von Zuwanderern und Flüchtlingen eingesetzt. Im Dezember geht er nach 31 Jahren in den Ruhestand.

 

Berlin (epd). Eine Tragödie stand am Anfang seiner Zeit in Berlin: Als Hanns Thomä am Neujahrsmorgen 1984 nach West-Berlin fuhr, um seine neue Stelle als Ausländerbeauftragter der evangelischen Landeskirche anzutreten, lief die Meldung vom Augustaplatz in den Nachrichten. In der Silvesternacht waren bei einem Brand im Abschiebegewahrsam der Polizei in Lichterfelde sechs Menschen ums Leben gekommen.

 

Einige der Inhaftierten hatten den Brand aus Protest gelegt. Die Polizei hatte notdürftig gelöscht und dann die Zellen verschlossen, um eine Flucht zu verhindern. Die Feuerwehr wurde erst eine Viertelstunde später alarmiert. Bis sie kam, waren die sechs Männer an den Blausäuredämpfen erstickt, die beim Verbrennen der Schaumgummimatratzen freigesetzt wurden.

 

"Daran erinnere ich mich noch sehr genau", sagt Hanns Thomä fast 31 Jahre später und kurz vor dem Ruhestand. Gleich am ersten Arbeitstag ging es zur Beratung ins Bischofsbüro, eine Stellungnahme wurde verfasst. "Flüchtlinge sind Menschen in Not", lautete der Anfang der Erklärung der Kirchenleitung, erzählt Thomä: "Der Satz ist immer noch gültig."

 

Die Abschiebehaft hat ihn die ganzen Jahre hindurch immer wieder beschäftigt. Als "normales Leben minus Freiheit" hatte damals ein hochrangiger Polizeifunktionär die Haft salopp beschrieben. Seitdem hat sich einiges verändert. "Da haben sich viele Sachen verbessert, erfreulicherweise", sagt Thoma. Doch das mache die Abschiebehaft als solche nicht besser.

 

"Damals gab es dort noch keine Seelsorge, das war eine der ersten Sachen, um die ich mich gekümmert habe", erzählt er. Inzwischen sind die Seelsorger für die Menschen in der Abschiebehaft eine anerkannte Institution. Doch eine feste Stelle im kirchlichen Haushaltsplan gebe es dafür noch immer nicht, sagt Thomä. Kirchenkreise aus Berlin und Brandenburg tragen die Kosten.

 

Flucht, Exil, Migration - die Themen haben Hanns Thomä schon immer begleitet. "Meine Eltern waren Mitglieder der Bekennenden Kirche", erzählt der 63-Jährige. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, mit Flucht und Emigration, waren Thema in der Familie. In seiner Jugend und während des Studiums habe ihn die Frage immer wieder umgetrieben, ob so etwas noch einmal passieren könnte, erzählt er: "Das war für mich sehr präsent."

 

Und noch etwas hat ihn zur Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten geführt: "Die Tatsache, dass Menschen ausgebeutet werden, hat mich immer schon aufgeregt", sagt Thomä. Dass Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland geholt wurden, hier nur arbeiten, auf ein Familienleben verzichten und dann schnell wieder gehen sollten, sei empörend und widerspreche dem christlichen Menschenbild.

 

Hanns Thomä wurde am 20. August 1951 in Gelsenkirchen geboren und studierte von 1971 bis 1980 evangelische Theologie, Diakoniewissenschaften und Soziologie. Eine seiner beiden Diplomarbeiten schrieb er über die Bedeutung des Islam bei der Integration türkischer Arbeiterfamilien in der Bundesrepublik. Dann sollte ein Forschungsprojekt über die Verbindungen rechtsextremer und islamistischer Parteien in der Türkei folgen. Doch der Militärputsch von 1980 kam dazwischen. Und Thomä übernahm ein Forschungsprojekt in Griechenland.

 

Danach trat er 1984 die erste hauptamtliche Stelle einer evangelischen Landeskirche für Ausländerarbeit an und steht seitdem im Dienst der Berliner Kirche. Seit 2004 ist er mit der Menschenrechtsaktivistin Rita Kantemir verheiratet, die einst den Berliner Flüchtlingsrat mitbegründet hat und von 1981 bis 1983 der ersten Fraktion der West-Berliner Alternativen Liste (AL) im Abgeordnetenhaus angehörte.

 

Die erfolgreichen Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht gegen die Einschränkung des Familiennachzugs von Migranten, für ein Asylrecht auch für Bürgerkriegsflüchtlinge und gegen das Asylbewerberleistungsgesetz zählt Hanns Thomä zu den Erfolgen kirchlicher Arbeit. Ebenso das Kirchenasyl und die Härtefallkommissionen für humanitäre Notfälle: "Sehr viele Menschen würden heute nicht mehr leben, wenn es das Kirchenasyl nicht geben würde", betont er.

 

"Er hat sehr viel bewegt", fasst die Flüchtlingsbeauftragte der badischen Landeskirche, Anette Stepputat, die Arbeit ihres Kollegen von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zusammen. Mit Freundlichkeit und Beharrlichkeit habe er viel erreicht, sagt Thorsten Leißer, Migrationsreferent der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) über Hanns Thomä: "Er hat gezeigt, dass man einen langen Atem haben muss und sich nicht einschüchtern lassen darf."

 

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