Bischof Dröge: Europäische Idee muss aufrecht erhalten werden

11.03.2019

epd-Gespräch: Jens Büttner und Yvonne Jennerjahn (epd)

Berlin (epd). Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz steht kurz vor der Wahl eines neuen Bischofs. Bis zum Amtswechsel im November will der bisherige Bischof Markus Dröge noch einiges erledigen. Auf der Agenda stehe dabei auch das Engagement für Europa und die Würdigung der Gleichstellung der Frauen, sagte Dröge dem Evangelischen Pressedienst (epd).

 epd: In einigen Monaten werden Sie aus Ihrem Bischofsamt verabschiedet. Was haben Sie bis dahin noch vor?

 Markus Dröge: Ich möchte noch verschiedene Projekte realisieren. Dazu gehört auch, Europa noch einmal zum Thema zu machen. Wir haben die Bischöfin von London zu einer Predigt im Berliner Dom eingeladen, wenn der Brexit in Kraft treten soll. Wobei das ja noch offen ist, aber die Einladung für Ende März steht. Eine Woche später werde ich in der St. Pauls Cathedral in London predigen. Wir wollen deutlich machen, dass wir zusammenhalten. Wir halten die europäische Idee gemeinsam aufrecht.

Am 1. September, dem 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, mit dem der Zweite Weltkrieg begonnen hat, wollen wir gemeinsam mit polnischen Partnern gedenken und daran erinnern, wie wichtig die Freiheit ist.

Ich werde die Frauen, die vor 1974 ordiniert worden sind, also nicht mit vollen Rechten ordiniert worden sind, zu einer Feierstunde einladen. Da gedenken wir daran, dass wir seit 45 Jahren die rechtliche Gleichstellung der ordinierten Frauen haben. Das ist mir ein besonderes Anliegen.

 epd: Wie sieht es mit den Reformfragen innerhalb der Landeskirche aus?

 Dröge: Den Reformprozess möchte ich noch abschließen. Als ich 2009 angetreten bin, hatte der Reformprozess gerade begonnen. Aber man kann nicht ständig im Reformmodus sein. Mein Ziel ist deshalb, dass wir zum Abschluss sagen können, wir haben gelernt, eine lernende Organisation zu sein, die sich ständig den neuen Herausforderungen anpasst, ohne dass ein abgeschlossener neuer Reformprozess kommen muss. Wichtig ist, dass wir dauerhaft eine lernende Organisation bleiben müssen.

 epd: Mit dem ersten Reformkonzept "Salz der Erde" von 2007 wurden viele konkrete Ziele gesetzt. Zum Beispiel sollte die Mitgliederzahl mindestens stabil gehalten werden, tatsächlich gehören jedoch inzwischen rund 200.000 Menschen weniger der Landeskirche an. Wie sehen Sie das im Rückblick?

 Dröge: In meiner Zeit als Bischof habe ich den Prozess verändert. Es werden jetzt keine Papiere mehr mit konkreten Zielvorgaben von oben geschrieben, weil sich das nicht bewährt hat. Die berühmte Taufquote, die man erhöhen sollte, das hat eben nicht funktioniert. Das hat sogar eher demotiviert. Deshalb habe ich nach meinem Amtsantritt erst einmal eine Basisbefragung gestartet, wie dieser Prozess wahrgenommen wird. Im Anschluss haben wir aus dem Rücklauf zehn Thesen entwickelt und formuliert, wie die Grundlinien der Gestaltung unserer Kirche aussehen könnten. Diese zehn Thesen sind sehr positiv aufgenommen worden. Nicht als Zielvorgabe von oben, sondern als Ausdruck dessen, was die Kirche selber empfindet.

 epd: Was sind dabei die wichtigsten Punkte?

 Dröge: Kern dieser Thesen ist, dass wir eine gesellschaftlich engagierte Kirche bleiben, selbst wenn wir kleiner werden. Im ersten "Salz der Erde"-Konzept war ja noch die Vorstellung formuliert, wir könnten gegen die Demografie wachsen, das hieß dann "wachsen gegen den Trend". Das hat sich aber nicht bewährt. Daher bin ich den Reformprozess anders angegangen.

 epd: Wie erklären Sie sich, dass trotz des vielfältigen Engagements der Kirche ihr so viele Menschen den Rücken kehren?

 Dröge: Mindestens die Hälfte des Rückgangs ist die ganz normale Demografie. Da können Sie machen, was Sie wollen, da können Sie noch so fantastische Arbeit machen. Was traurig macht, ist die andere Hälfte. Das sind die Menschen, die im Laufe ihres Lebens sagen, ich trete aus der Kirche aus. Das hat natürlich vielerlei Gründe. Am wenigsten spielt dabei eine Rolle, dass die Arbeit der Kirche als schlecht eingeschätzt wird. Die Soziologen sagen uns, dass viele Menschen nicht Mitglieder von Großorganisationen bleiben wollen. Dass sie den Eindruck haben, was sie im Leben brauchen, können sie auch haben, ohne dass sie dieser Institution weiter angehören; dass sie meinen, ihr Christsein auch individuell leben zu können. Das sind die großen gesellschaftlichen Gründe. Im Einzelnen muss man natürlich trotzdem kritisch hinschauen.

 epd: Was wollen Sie dieser Entwicklung entgegensetzen?

 Dröge: Wir müssen näher an den Menschen sein, die zwischen 20 und 35 Jahre alt sind. Das ist die Generation, die am schnellsten sagt, ich bin mit so vielem beschäftigt, ich kann nicht wirklich erkennen, dass die Kirchenmitgliedschaft etwas für mich bringt. Das ist die große Herausforderung für die nächste Zeit. Es muss uns gelingen, den Menschen in diesem Alter deutlich zu machen, dass es gut ist, Teil der Kirche zu sein. Für sich selbst und auch für ihre gesellschaftliche Verantwortung.

 epd: Welche Baustellen warten auf ihre Nachfolgerin oder ihren Nachfolger?

 Dröge: Wir werden als kleiner werdende Kirche neue Formen von Gemeinde ausprobieren müssen außerhalb der klassischen Parochialgemeinde. Das sollen sogenannte "Dritte Orte" sein, wo neue Aufbrüche versucht und Freiräume geschaffen werden. Also Projekte wie zum Beispiel "Refo Moabit" in Berlin, die "Kirche im Kiez". Dort zieht ein Verein in einer nicht mehr genutzten Kirche Stadtteilarbeit auf. In der breiten Fläche, wo wir noch viele Kleinstgemeinden haben, müssen wir überlegen, ob so etwas sinnvoll ist, und vielleicht neue Strukturen finden.

Wir werden generell die Gemeinwesenarbeit stärken müssen. Ein Beispiel dafür ist das Falkenhagener Feld in Berlin-Spandau. Dort wohnen 30.000 Menschen. Es gab dort seit den 60er Jahren drei evangelische Kirchengemeinden. Jetzt sinken die Zahlen, die Leute, die neu hinzuziehen, sind vielfach international und nicht mehr evangelisch. Was haben wir gemacht? Wir haben das wunderbare Gemeindezentrum der 60er Jahre in ein Mehrgenerationenhaus umgewandelt, wo auch Gottesdienste gefeiert werden, aber sonst die ganze Woche über eine sehr gute Gemeinwesenarbeit gestaltet wird. Etwas Ähnliches ist im Märkischen Viertel in Berlin-Reinickendorf passiert. Dort ist ein Zentrum entstanden, das sogar ausgebaut und vergrößert wird, für Integrations-, Familien- und Kindertagesstättenarbeit.

Auch auf dem Land können wir die Dorfkirchen weiter öffnen für das Gemeinwesen. Dort wird schon viel im Kulturbereich gemacht. Aber in Zukunft könnte auch soziale und medizinische Beratungsarbeit von Dorfkirchen aus geleistet werden. Das sind so die großen Herausforderungen, die ich sehe. Wir werden kleiner, aber wir wollen eine gesellschaftlich aktive Kirche bleiben.

 epd: Gibt es noch andere Punkte?

 Dröge: Wir haben natürlich die Probleme, die alle Institutionen haben. Die auch die Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung haben. Wir müssen uns um Nachwuchs kümmern und kirchliche Berufe profilieren. Die sozialen Berufe müssen gestärkt werden: Diese werden in Berlin zur Hälfte von zwei kirchlichen Hochschulen ausgebildet. Wir müssen im Bildungs- und Ausbildungsbereich stark bleiben und den Religionsunterricht weiter festigen. Das, würde ich sagen, sind die Herausforderungen in der nächsten Zeit, die dann auf meinen Nachfolger oder meine Nachfolgerin zukommen werden.

 epd: Was werden Sie ganz persönlich im Ruhestand machen?

 Dröge: Ich werde weiter in Berlin wohnen bleiben. Zudem werde ich auf Bitten der Evangelischen Kirche in Deutschland noch eine Weile Mitglied im Rat der EKD bleiben. Dort behalte ich zwei Aufgaben, den Aufsichtsratsvorsitz im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung sowie den Vorsitz der Kuratorien des Jerusalemsvereins und der Kaiserin-Auguste-Victoria-Stiftung. Diese planen ein großes Bauprojekt auf dem Ölberg, das ich weiter betreuen werde. Daher werde ich dann auch ab und zu ins Heilige Land fliegen.

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