Bischof Dröge: "Zahl der Flüchtlingstaufen ist beachtlich" - Asylsuchende setzen sich mit westlichem Wertesystem auseinander

19.12.2016

Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärt Bischof Markus Dröge, wie Flüchtlinge in evangelischen Kirchengemeinden zur Taufe kommen.

Berlin (epd). Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) hat erstmals Daten zu Flüchtlingstaufen erhoben. Vom hohen Interesse Asylsuchender am christlichen Glauben zeigt sich Landesbischof Markus Dröge überrascht. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärt er, wie Flüchtlinge in evangelischen Kirchengemeinden zur Taufe kommen.

epd: Wie viele Flüchtlinge wurden in den Kirchengemeinden der Landeskirche zuletzt getauft?

Dröge: Wir haben in den letzten beiden Jahren 2015/2016 in unserer Landeskirche insgesamt 430 Taufen gehabt, und es gibt noch weitere 60 Taufanwärter. Also man kann sagen, es handelt sich um rund 500 Flüchtlinge, die sich evangelisch taufen ließen oder noch taufen lassen wollen.

epd: Es kursierten mal Schätzungen, dass sich bundesweit insgesamt rund 2.000 Flüchtlinge haben taufen lassen. Können Sie diese Zahlen nachvollziehen?

Dröge: Nein. Wenn man versuchte, die Zahl der Flüchtlingstaufen in den Landeskirchen strukturiert abzufragen, müssten es bundesweit weitaus mehr als 2.000 Flüchtlingstaufen sein - wenn allein wir in der EKBO schon 500 zu verzeichnen haben.

epd: Aus welchen Herkunftsländern kommen die Flüchtlinge, die sich taufen lassen?

Dröge: Die meisten sind aus dem Iran. Einige kommen aus Afghanistan und auch aus Syrien und dem Irak. Es handelt sich meistens um Erwachsene oder auch ganze Familien, die zusammen Taufunterricht nehmen.

epd: Also sind diese Flüchtlinge von Geburt an Muslime.

Dröge: Ja, sie sind Muslime gewesen. Viele iranische Taufanwärter haben sich aber schon in ihrer Heimat für den christlichen Glauben interessiert, sie konnten dies aber nicht offen ausleben. Erst jetzt in Deutschland können sie endlich ihren christlichen Glauben leben und realisieren. Bei vielen anderen aber gibt es diesen Hintergrund nicht.

epd: Sind Sie überrascht von dem Taufinteresse unter Flüchtlingen?

 Dröge: Ja, ich finde, das ist schon eine beachtliche Zahl. Zu Beginn der Flüchtlingszuwanderung waren die Kirchengemeinden ja zunächst damit beschäftigt, den Menschen zu helfen. Natürlich haben wir dabei auch von unserem Glauben erzählt. Aber wir haben nicht von vornherein gedacht, da kommen vielleicht Leute, die Christen werden wollen. Die Flüchtlinge, die sich taufen lassen, haben erlebt, wie unsere Gesellschaft christlich geprägt ist. Sie haben eine Religion erlebt, die menschenfreundlich ist, die die Würde der Menschen beachtet und keine Unterschiede macht. Diese Verbindungen von christlichen Glauben und Menschenwürde, das beeindruckt viele stark. Für mich ist das Interesse an der Taufe deshalb ein sehr schönes Zeichen dafür, dass Hilfe auch eine gewisse Ausstrahlung hat.

epd: Also lassen sich Flüchtlinge taufen aus Anerkennung für die geleistete Hilfe der Kirchengemeinden?

Dröge: Das ist sicherlich nicht der Hauptgrund. Viele Flüchtlinge kommen aus absoluten Krisenregionen, wo sie erlebt haben, dass Religion Menschen gegeneinander aufbringt. Und sie haben oft einen sehr autoritativen Islam oder in letzter Zeit sogar den gewalttätigen Islamismus erlebt. Jetzt sehen sie hier, dass die christliche Prägung einer Gesellschaft eine ganz andere Atmosphäre schafft. Ich finde es sehr interessant, dass viele unserer deutschen Mitbürger unser soziales System, unsere offene Gesellschaft gar nicht mehr so bewusst auf die Wurzeln des Christentums zurückführen. Aber diejenigen, die von außen aus einer ganz anderen Kultur kommen, sehen diese Zusammenhänge. Sie sagen dann: 'Ich möchte hier eine neue Zukunft für mich und meine Familie haben und dazu gehört es, dass ich diesen christlichen Glauben insgesamt lebe.' Diese Menschen setzen sich wirklich existenziell damit auseinander, worauf sie ihr Leben gründen wollen.

epd: Angesichts sinkender Kirchenmitgliederzahlen könnten die Kirchen durch Flüchtlinge wieder wachsen?

Dröge: Wir machen keine gezielte, methodische Mission mit dem Zweck, Menschen zum Christentum zu bekehren. Jeder soll frei entscheiden, welchen Glauben er leben will. Das gehört zur Würde des Menschen. Die Landeskirche verfolgt nicht die Strategie, dass wir uns vor allem um Flüchtlinge kümmern, damit wir mehr Mitglieder bekommen - das wäre ein ganz falsches Missionsverständnis. Sondern wir helfen allen gleich. Aber wir freuen uns sehr, wenn Menschen aus ihrer inneren Überzeugung sich taufen lassen. Viele Flüchtlinge haben in ihrer Heimat erlebt, dass jede Religionsgruppe nur an die eigenen Leute denkt. Wenn wir das hier ebenso machen würden, würden wir unser christliches Zeugnis verdunkeln.

epd: Ist auch die Anerkennung auf Asyl für Flüchtlinge ein mögliches Motiv für eine christliche Taufe?

Dröge: Eine Taufe führt nicht zwangsläufig zu Vorteilen im Asylverfahren. In einzelnen Fällen mag das so sein. Aber wir weisen Geflüchtete darauf hin, dass die Taufe nicht das Eintrittsticket in unsere Gesellschaft ist. Wir gehen da sehr ehrlich mit den Flüchtlingen um, damit keine falschen Hoffnungen geweckt werden. Im Einzelfall kann die Taufe Auswirkungen auf das Asylverfahren haben, wenn in den Herkunftsländern die Religionsfreiheit eingeschränkt ist. Aber das ist nicht das vorherrschende Thema in unseren Taufkursen.

epd: Mit einem Wechsel zum Christentum sind für Flüchtlinge ja auch Risiken verbunden...

 Dröge: Ja, sie müssen damit rechnen, dass sie in ihrer Heimat oder im familiären Umfeld nicht mehr akzeptiert werden. Und das bedeutet ja viel. Wir sprechen diese Risiken an. Die Flüchtlinge, die sich taufen lassen, gehen sehr bewusst ihren Weg. Ich finde das bewundernswert.

 epd: Wie werden Asylsuchende auf die Taufe vorbereitet?

 Dröge: Die Flüchtlinge besuchen in der Regel mehrmonatige Taufkurse oder Glaubenskurse - nach Möglichkeit auch mit anderen Gemeindemitgliedern zusammen. Oft sind es Flüchtlinge, die sich sehr aktiv am gottesdienstlichen Leben beteiligen oder auch in Teestuben aktiv sind. Ich habe mir erzählen lassen, dass in einer Kirchengemeinde in den Gottesdiensten die Lesungen auf Deutsch und auch auf Farsi vorgetragen werden, damit Flüchtlinge die Bibeltexte gleich in ihrer eigenen Sprache hören. Ab einer gewissen Zeit der Vorbereitung und der Unterweisung gibt es dann die Taufe mit dem öffentlichen Bekenntnis. Und dann werden sie ganz normal in die Kirchenbücher mit ihrem Wohnsitzort eingetragen, das kann auch eine Flüchtlingsunterkunft sein.

epd: Gibt es kulturelle Besonderheiten bei Flüchtlingstaufen?

Dröge: Neben den Sprachen, wie Farsi oder Arabisch, muss man sehen, dass Menschen aus dem Irak oder Syrien in der aktuellen Krisenzeit Konflikte zwischen den Religionen erlebt haben, die das ursprüngliche gemeinsame respektvolle Zusammenleben zerstört haben. In Deutschland erleben sie, dass sich Christentum und Islam nicht bekämpfen, sondern in Dialog miteinander treten. Für mich gehört es deshalb zum Taufunterricht dazu, Flüchtlingen zu vermitteln, dass wir hier in Deutschland eine Gesellschaft haben, die Wert auf den interreligiösen Dialog legt und dass Religionen gemeinsamen für den Frieden einstehen.

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