02.08.2021
Über die Geschichte der Garnisonkirche und den Wiederaufbau ihres Turms gibt es weiter Debatten. Nun wurde ein umstrittenes Glockenspiel am Ort unter Denkmalschutz gestellt. Damit werde ein Symbolobjekt der "Neuen Rechten" geschützt, sagen Kritiker.
Potsdam/Wünsdorf (epd). Das 1991 nahe dem historischen Standort der Potsdamer Garnisonkirche aufgestellte umstrittene Glockenspiel steht jetzt unter Denkmalschutz. Das Glockenspiel sei im Juli in die Denkmalliste des Landes Brandenburg aufgenommen worden, teilte das Landesamt für Denkmalpflege am Donnerstag in Wünsdorf mit. Von der Initiative „Lernort Garnisonkirche“, die den Turmbau kritisch begleitet, eigene Vorschläge zum Thema einbringt und Dokumentationen zur Geschichte vorlegt, kam Kritik.
Mit der Entscheidung des Landesdenkmalamtes sei erstmalig ein Symbolobjekt der „Neuen Rechten“ unter Denkmalschutz gestellt worden, erklärte die Initiative am Donnerstag. Die Denkmalschützer müssten sich fragen lassen, auf Grundlage welchen erinnerungspolitischen Konzeptes und welcher Intention diese Denkmalentscheidung beruhe.
„Wenn intensive stadtpolitische Debatten einen Denkmalwert begründen, so hätte das Landesdenkmal schon längt das ehemalige Rechenzentrum als Gebäude unter Schutz stellen müssen, zumal es anders als das Glockenspiel auch einen gestalterischen-künstlerischen Wert besitzt“, erklärte die Initiative. Der DDR-Neubau steht zum Teil auf dem historischen Grundstück der Garnisonkirche und soll nach bisheriger Planung abgerissen werden. Derzeit wird es als Kunst- und Kreativzentrum genutzt. Es stelle sich die Frage, ob hier mit zweierlei Maß gemessen werde, kritisierte die Initiative.
Das Geläut mit 40 Glocken habe eine städtebauliche, musikgeschichtliche, technische und vielschichtige zeithistorische Bedeutung, betonte das Landesdenkmalamt. Mit der Feststellung des Denkmalwertes sei jedoch keine Aussage zum Vorhaben des Wiederaufbaus der Garnisonkirche verbunden.
Aus denkmalpflegerischer Sicht werde empfohlen, das Glockenspiel am ursprünglichen Standort zu bewahren, zu pflegen und in geeigneter Weise zu kontextualisieren, hieß es beim Landesdenkmalamt. Als zeithistorisches Zeugnis der Vor- und Nachwendezeit um 1989 dokumentiere es die gesellschaftlichen Debatten in Potsdam und die rechtskonservativer Kreise in Westdeutschland, betonte Christine Onnen, Dezernatsleiterin Inventarisation und Dokumentation im Landesdenkmalamt: „Seine Existenz muss dazu beitragen, am Original diese jüngste Geschichte auch künftig aufzuarbeiten.“
Das Glockenspiel wurde 1984 bis 1987 angefertigt und der Stadt von der „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“ aus Iserlohn geschenkt, in der auch extrem rechte Bundeswehrkreise aktiv waren. Wegen der umstrittenen Geschichte und mehrerer Inschriften, die unter anderem NS-Wehrmachtsverbänden gewidmet sind, wurde es 2019 abgeschaltet. In der Stadt gab es danach auch einen Antrag, die Glocken einzuschmelzen und den Erlös für die Kulturszene zu verwenden.
Die Unterschutzstellung des Glockenspiels greife auch in die stadtpolitische Debatte über dessen Zukunft ein, kritisierte die Initiative „Lernort Garnisonkirche“. Damit könnten bereits artikulierte Ideen für mögliche Umgestaltungen im Keim erstickt werden. Landeskonservator Thomas Drachenberg solle sich nun einem öffentlichen Streitgespräch zum Thema stellen.