Ein Vorgeschmack von Demokratie

19.09.2014

Die Synode des DDR-Kirchenbundes forderte im September 1989 Reformen ein

Vor 25 Jahren tagte das DDR-Kirchenparlament im thüringischen Eisenach. Angesichts der Ausreisewelle, bei der Tausende DDR-Bürger das Land verließen, forderten die Synodalen Demokratie, Reisefreiheit und das Recht auf friedliche Demonstrationen.

 

19. September 2014. Eisenach (epd). Die Massenflucht von DDR-Bürgern im Sommer 1989 war für Thüringens Kirchenzeitung "Glaube und Heimat" vor 25 Jahren das "Thema Nummer 1". Auch auf der Synode des DDR-Kirchenbundes im September 1989 wurde fünf Tage lang über den Zustand der Gesellschaft diskutiert. Das Kirchenparlament tagte damals im thüringischen Eisenach auf dem Hainstein, einem kirchlichen Haus direkt unter der Wartburg, auf der Reformator Martin Luther die Bibel ins Deutsche übersetzt hatte.

 

Offiziell war im SED-Staat die Ausreisewelle dagegen kein Top-Thema, obwohl allein über Ungarn, das seine Grenzen für DDR-Bürger geöffnet hatte, täglich Tausende Menschen dem Land den Rücken kehren. So gab etwa SED-Politbüro-Mitglied Hermann Axen damals zu Protokoll: "Die Bürger unseres Landes empfinden: Unsere sozialistische Heimat ist die Heimstatt des Friedens, der sozialen Sicherheit und Geborgenheit, in der ein jeder gebraucht wird und jeder die Möglichkeit hat, sich zu verwirklichen." Die SED werde die Gesellschaft "vorwärts zu neuen Höhen führen". Dass die Menschen von der politischen Fürsorge genug hatten, wurde im DDR-Machtzirkel nicht wahrgenommen.

 

Doch auch in den Diskussionen auf der Synode in Eisenach schimpften die Redner zuerst auf die Bundesrepublik, danach folgte die Kritik an der DDR. Ganz ernst waren die Tiraden gen Westen allerdings nicht gemeint. Es war vielmehr der Versuch, Glaubwürdigkeit bei der DDR-Regierung zu erlangen. Es sollte nicht der Eindruck erweckt werden, der "Klassenfeind" steuere das Kirchenparlament in Eisenach.

 

Dass die Sowjetunion ihr deutsches Vorfeld einfach preisgeben könnte, hielt im September '89 ohnehin kaum einer für möglich. Einige Synodale warnten auch vor Protesten und Demonstrationen. Auch Friedrich Schorlemmer, damals Pfarrer in der Lutherstadt Wittenberg, erklärte einst: "Die Sorge vor einer 'chinesischen Lösung', also ein Massaker wie am 4. Juni in Peking, war allgegenwärtig. Intern diskutierten wir, ob wir verantworten können, dass Menschen bei friedlichen Protesten durch Waffengewalt zu Tode kommen. Das hatte nichts mit Bremsen von Entwicklungen zu tun."

 

Die Debatte auf der Synode in Eisenach hätte in ein demokratisches Parlament gepasst. Die Redner schilderten, wie sehr die Massenflucht zum gesellschaftlichen Notstand führte: In Kleinstädten wurden Kaufhallen zu "Tante-Emma-Läden" mit nur zwei Mitarbeiterinnen, eine nahm Wünsche entgegen, holte die Ware, die andere kassierte. "Wegen Personalmangel" mussten viele Geschäfte, Friseure oder Tankstellen schließen. Überall im Land fehlten Handwerker - vom Bäcker bis zum Klempner. Am schlimmsten war es im Gesundheitswesen, weil es auch in den Krankenhäusern an Ärzten und Hilfspersonal mangelte.

 

Angesichts der Missstände forderte das Kirchenparlament in Eisenach am 19. September 1989 "eine offene und öffentliche Auseinandersetzung mit unseren gesellschaftlichen Problemen", eine "Öffnung der politischen Strukturen", sowie die "Reisefreiheit für alle Bürger." Ebenso sollten friedliche Demonstrationen möglich sein. Nur einer der 60 Synodalen stimmte zu den eingeforderten Reformen mit "Nein".

 

Die DDR-Kirche, die unter Berufung auf Dietrich Bonhoeffer "Kirche für Andere, für Arme und Schwache" sein wollte, wurde in Eisenach zur "Sprecherin des Volkes", wie Schorlemmer rückblickend sagte. Beschlüsse für den Staat konnte das Kirchenparlament nicht fassen. Aber der Appell der DDR-Synode vom 19. September ermutigte auch bis dahin zögerliche Pfarrer und Kirchenräte, die Gotteshäuser in den folgenden Wochen für Friedensgebete und Demonstrationen zu öffnen. Dort wurde die Kerze dann zum Symbol der anstehenden Revolution.

 

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