Einzug unter Protest

31.05.2018

Vor 25 Jahren wurde der kriegszerstörte Berliner Dom wieder eröffnet.

Nur selten wird ein Festgottesdienst von Trillerpfeifen und Demonstrationen begleitet. Bei der Wiedereröffnung des Berliner Doms vor 25 Jahren ist ein großes Polizeiaufgebot nötig, um den rund 1.500 geladenen Gästen den Weg zu bahnen. Die Kritik der mehreren Hundert Demonstranten gilt am 6. Juni 1993 dabei weniger dem Dom als Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU). Er wird als "Heuchler" beschimpft. Nur wenige Tage zuvor hatte sich Kohl gegen eine Teilnahme an der Trauerfeier für die fünf Mordopfer des rechtsextremistischen Brandanschlags in Solingen entschieden. Sein Regierungssprecher begründete dies mit "weiß Gott anderen wichtigen Terminen"; man wolle schließlich nicht "in Beileidstourismus ausbrechen".

Der Dom wird 18 Jahre nach Beginn des Wiederaufbaus prunkvoll mit Spitzenvertretern aus Politik und Kirche eröffnet. Das Fernsehen überträgt den Gottesdienst, die Bundespost gibt einen Sonderstempel heraus, die Landesbank startet einen Medaillenverkauf zugunsten des Wiederaufbaus. Auch die restaurierte berühmte Sauer-Orgel erklingt erstmals wieder. Wenn man die Fläche als Maßstab nimmt, ist er die größte protestantische Kirche in Deutschland.

Am 10. Juni erinnert die heutige Gemeinde mit einem Festgottesdienst an die Wiedereröffnung des Domes vor 25 Jahren. Dabei war lange Zeit unklar, was mit dem Bau geschehen sollte, der im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurde. Sogar ein Abriss der "Oberpfarr- und Domkirche" am Lustgarten wurde nicht ausgeschlossen. Bis zuletzt war der Wiederaufbau auch innerhalb der Kirche umstritten.  

1905 als Hofkirche der Hohenzollern errichtet, wird der Dom am Rande der Museumsinsel schnell zu einem Wahrzeichen der historischen Mitte Berlins. In Anlehnung an die italienische Hochrenaissance und den Barock stammen die Pläne von Julius Raschdorff (1823-1914).

Der Kaiser soll von einer Kathedrale für die Protestanten der Welt geschwärmt haben. Für den Bau stand Berichten zufolge der Petersdom in Rom Pate. Die Gruft mit mehr als 90 Särgen aus fünf Jahrhunderten wurde die zentrale Begräbnisstätte der Hohenzollern, die größte fürstliche Grabstätte in Deutschland. Sie soll demnächst bis 2021 restauriert werden.


Bis zu seiner Zerstörung 1944 repräsentiert der Dom die Verbindung von "Thron und Altar" beziehungsweise Staat und Kirche. In der Nachkriegszeit versammeln sich bis zu 1.000 Gläubige in der Gruftkirche zum Sonntagsgottesdienst. Die angrenzende, ebenfalls zerstörte Denkmalskirche wird 1975 gesprengt. In den 1980er Jahren erhält die Gemeinde mit der wiederhergestellten Tauf- und Traukirche im Domkomplex einen neuen Ort für den Gottesdienst.

Die Entscheidung gegen einen Abriss und für den Wiederaufbau des wilhelminischen Doms wird zur Lokomotive für ein kirchliches Sonderbauprogramm in der DDR. Zuvor soll der Architekt des benachbarten Palastes der Republik, Heinz Graffunder, gegenüber der SED-Führung deutlich gemacht haben, dass er den Dom als nötigen Ausgleich für die "Baumassen" des Regierungsviertels und der Straße Unter den Linden brauche.

Die Kirchen verpflichteten sich also gegenüber der SED, den Dom im Herzen der DDR-Hauptstadt wieder aufzubauen. Dafür erhielten sie die Erlaubnis, dringend benötigte Umbauten an Kirchen sowie Gemeinde- und Pfarrhäusern im ganzen Land in Angriff zu nehmen. Bezahlt wurde beides von den westdeutschen Kirchen und den westdeutschen Steuerzahlern - "in harter D-Mark", wie es zu DDR-Zeiten hieß. Allein in den Wiederaufbau des Doms flossen bis 1993 rund 120 Millionen D-Mark.

Der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Klaus Engelhardt, nennt bei der Wiedereröffnung den Dom dann auch "Ausdruck eines ambivalenten Verhältnisses von Thron und Altar". Der Berlin-brandenburgische Bischof Martin Kruse spricht von einem "Glaubenswagnis".

Heute steht der Dom für eine City-Kirche mit mehr als 1.600 Gemeindegliedern. Als Personalgemeinde kommen sie anders als in der klassischen Ortsgemeinde aus allen Teilen Berlins. Geleitet wird sie vom ehrenamtlich arbeitenden Domkirchenkollegium. "Wir bewegen uns in unserem Selbstverständnis und mit unseren Angeboten zwischen Dorf- und Hauptstadtgemeinde", sagt Domprediger Thomas Müller. Das schlagende Herz der Gemeinde sei der Gottesdienst. Dazu sind regelmäßig zehn bis 15 freiwillige Helfer im Einsatz. Immer wieder stehen Gastprediger auf der Kanzel.

Der gewaltige Kirchenbau ist auch Touristenmagnet: Im vergangenen Jahr besuchten ihn rund 700.000 Menschen. Die Gemeinde steckt pro Jahr rund eine Million Euro nur in den Erhalt des Gebäudes. Erwirtschaftet wird der rund sechs Millionen Euro umfassende Haushalt unter anderem durch Vermietungen etwa für Konzerte und mit Eintrittsgeldern.

Immer wieder dient der Dom im Zentrum der Berliner City-Ost auch als Trauerort etwa nach Terroranschlägen oder als Ort von Staatsbegräbnissen. "Wir sind in den vergangenen 25 Jahren in die Rolle als zentraler Gedenkort der Hauptstadt hineingewachsen", sagt Domprediger Müller: "Wir haben Staatsakte, aber wir sind keine Staatskirche." Die Gemeinde repräsentiere hier die Öffentlichkeit des Evangeliums: "Wir zeigen, dass Glauben keine Privatsache ist."

Internet
www.berlinerdom.de

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