03.07.2014
Senat sichert Flüchtlingen weitere Prüfung zu - Vorgehen der Polizei verteidigt.
3. Juli 2014. Berlin (epd). Aufatmen in Kreuzberg: Nach der Einigung mit den Flüchtlingen in der besetzten Hauptmann-Schule vom späten Mittwochabend entspannt sich die Lage vor Ort. Doch der politische Streit ist noch nicht beigelegt.
Nach der Einigung in der seit eineinhalb Jahren besetzten früheren Schule in Berlin-Kreuzberg will der Senat weiter das Schicksal der Flüchtlinge prüfen. Es gebe für jeden, der einen Antrag gestellt habe, eine Einzelfallprüfung, versicherte Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Das bedeute aber kein "flächendeckendes Bleiberecht". Zugleich verteidigte Krömer das Vorgehen der Polizei. Angesichts der schwierigen Lage an der Gerhart-Hauptmann-Schule hätten die Beamten "ausgesprochen gut" und angemessen reagiert.
Die Opposition sprach dagegen von Gewalt gegenüber Demonstranten durch die Polizei. Zugleich kritisierten Grüne, Linke und Piraten den Senat. Er habe es sich im Umgang mit den Flüchtlingen "einfach gemacht" und auf den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gezeigt, monierte die Linke Katrin Lompscher.
Der am späten Mittwochabend geschlossene Kompromiss sieht unter anderem vor, dass die 40 Flüchtlinge in einem abgegrenzten Bereich der Schule bleiben dürfen. Allerdings dürfen keine neuen Bewohner einziehen. Ein Wachdienst soll dies kontrollieren. Das Gebäude soll nun renoviert und in ein Flüchtlingszentrum umgewandelt werden. In der Schule lebten seit Ende 2012 Flüchtlinge unter untragbaren hygienischen Verhältnissen. Sie sollten daher in andere Unterkünfte umziehen. 40 von ihnen weigerten sich und verlangten ein Bleiberecht in Deutschland.
Nach Angaben des Innenstaatssekretärs hat der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Hans Panhoff (Grüne), formell sein Räumungsgesuch am Donnerstagmorgen zurückgezogen. Der CDU-Abgeordnete Kurt Wansner forderte, dass der Bezirk die Kosten für den Polizeieinsatz übernehmen soll. Im RBB-Inforadio verlangte Wansner zudem den Rücktritt von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) und Baustadtrat Panhoff. Die jetzt gefundene Lösung wäre auch "schon vor Monaten, wenn nicht schon vor einem Jahr" möglich gewesen, kritisierte er.
Die Parlamentssitzung war von deutlicher Polizeipräsenz begleitet. Unterstützer der Flüchtlinge hatten am Montag den Innenausschuss gestört und Politiker beschimpft. Zu neuen Zwischenfällen kam es am Donnerstag zunächst nicht. Zu Beginn der Sitzung hatten zwei Abgeordnete der Piraten ein Transparent hochgehalten, worauf "Refugees welcome" (Flüchtlinge willkommen) zu lesen war. Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) untersagte die Aktion.
Innensenator Frank Henkel (CDU) mahnte am Donnerstag, es komme jetzt darauf an, eine weitere Besetzung zu verhindern. Er bleibe bei seiner "klaren Linie", dass es aufenthaltsrechtlich keinen Spielraum für eine Vorzugsbehandlung geben könne. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, der an dem Kompromiss beteiligt war, sprach sich dagegen im RBB-Inforadio für ein Bleiberecht nach der Härtefallregelung für die Flüchtlinge aus. Der Senat könne gemäß Aufenthaltsgesetz aus politischen oder humanitären Gründen selbständig Aufenthaltsberechtigungen erteilen, sagte er.
Die frühere Berliner Ausländerbeauftragte und heutige Ombudsfrau der Bundesregierung für die Angehörigen der NSU-Opfer, Barbara John, attestierte dem von den Grünen regierten Bezirk unverantwortliches Handeln. In dem Moment, in dem der Bezirk die Besetzung zugelassen und geradezu dazu aufgefordert habe, habe er auch Verantwortung für das Wohlergehen der Menschen übernommen. "Diese Verantwortung ist nicht wahrgenommen worden", kritisierte John in der Berliner "tageszeitung" (Donnerstagsausgabe).