Gott liebt Recycling: Die Weihnachtspredigt von Pröpstin Bammel

24.12.2019

Die Predigt von Pröpstin Christina-Maria Bammel, die sie in der Christvesper in Jänickendorf und in Schönefeld hält, könnnen Sie hier nachlesen

"Und das hab` du zum Zeichen, wenn du an der Krippe deines Heilands stehst. Einen Fetzen Zweifel im Herzen, ein Stück Stroh in der Hand. Und ein Engel, den du zuerst nicht spürst..." (Christina-Maria Bammel) Foto: pixabay"Und das hab du zum Zeichen, wenn du an der Krippe deines Heilands stehst. Einen Fetzen Zweifel im Herzen, ein Stück Stroh in der Hand. Und ein Engel, den du zuerst nicht spürst..." (Christina-Maria Bammel) Foto: pixabay

Liebe Gemeinde,

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.  Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt.  

Alle Jahre wieder, Krisenjahr, so sagte man es sich zwischen Nazareth, Jerusalem, Betlehem. Gab es mal bessere Zeiten, fragen die Alten. Trümmer der Geschichte liegen überall herum bis in die Familiengeschichten hinein, tief in den Knochen der Erinnerung steckt es noch das Trauma von den Entwurzelten. Bloß nicht zu tief graben, tut weh. Lukas, der Geschichtenschreiber dieser Nacht, gräbt tief. Er weiß vom Propheten – Ezechiel hieß er – und nicht klein zu kriegen war dessen Hoffnung. Der hoffte auf einen König, der es besser machen wird, der nicht den einen stiehlt und den anderen zuschustert, der sich nicht durchsetzt mit Gewalt und Korruption. Wie soll das gehen? Lukas ist Realist. Er kennt die Tonangeber der Zeit. Quirinius etwa – Seine Macht, das sind Daten, Papiere, Zahlen. Quirinus weiß: Mit Bürokratie kann man Menschen klein halten. Vor allem mit Behörden. Die können wie Gummiwände sein, an denen du immer wieder abprallst. Du bist nicht mehr als eine Nummer, ein Datensatz, bist verwaltet.

In jener Nacht saß Quirinius wie so oft über seinen Datensätzen. War es das wert, fragte er sich immer wieder – Handlanger der Bürokratie zu sein, damit er ein schönes Haus für seine Familie und ein komfortables Leben im Grünen hatte. Wann hatte er zuletzt die Sterne gesehen? Da war ihm, als hätte jemand von hinten eine Hand auf seine Schulter gelegt. War da jemand? Quirinius fuhr herum. Aber dort lagen nur seine Listen und die Rollen mit den Gesetzen. Als er sich wieder über seine Listen beugt, verlässt ein Engel leise das Zimmer.

Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Alle Jahre wieder kommen zu ungünstigen Zeiten Kinder auf die Welt. Auch das noch. Wer soll sie durchbringen? Lukas ist Realist und weiß: Eine Entbindung ist kein Kinderspiel. Manchmal in diesen Stunden, da wünscht sich Josef, alles hinzuwerfen, in sein Dorf zurück in seine Werkstatt zu gehen, abzuschließen, Ruhe haben. Was soll noch kommen? Sorgen, gerade die, die sitzen ihm im Nacken wie die Ratten hier in der Unterkunft. Ich habe nicht genug Liebe! Denkt Josef. Dann hört er einen Schrei, einen sehr kleinen, winzig; er schaut Maria in die Augen und ihm ist, als hätte jemand Licht in diesem lausigen Raum angemacht. Seltsam, war da gerade was? War da gerade wer? Als Josef Marie umarmt, fühlt er sich wie von einem Engel gehalten.

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Alle Jahre wieder wird einem dieser Nachtdienst aufgedrückt. Wache halten bis die Augen zufallen und die Gedanken starr. Wache halten, ins Feuer glotzen, – was für ein ermüdendes Programm –, und kein Plan, was noch kommt. Schwer, sich selbst durchzubringen, was interessiert da Politik, was interessiert die Stadt; musst sehen, wo du bleibst. Kümmer` dich um deinen Kram, dann hast du genug zu tun. Was ist das? Gibt da jemand Zeichen? Lichtzeichen? Ungewöhnlich! Ein Retter – für wen? Für mich? Wer bin ich denn schon in diesem Kosmos? Nach einem Kind in Windeln suchen? Das ist ja wohl das Allergewöhnlichste. Welcher Säugling ist nicht in Windeln? Geht´s konkreter?

Nacht für Nacht werden Kinder geboren, bloß in Windeln gewickelt und in einer Tasche ausgesetzt, weil sie ungelegen kommen, weil die Liebe nicht reicht, weil da etwas zerbrochen ist. Die Welt ist voller Findelkinder. Nicht alle werden gefunden. Was ist das nur für eine Nacht? Hier bleiben und kalt werden können wir jede Nacht. Aber Zeichen suchen heute Nacht? Hat nicht der Prophet Ezechiel vor Zeiten einfach nur zwei Holzstäbe aneinander gehalten und alle haben es gesehen?: „Ihr meint, alles ist zerbrochen auf immer, Haus weg, Regierung auseinandergefallen, Glaube am Boden, Familienmitglieder vermisst… Brüche können verbunden werden.“ Nein, nein, die Hirten schütteln den Kopf: Undenkbar, dass zwei Holstückchen wieder zusammen wachsen, undenkbar, dass geteilte Länder wieder zusammen kommen, undenkbar, dass ein gerissener Faden neu aufgenommen wird. Ausgeschlossen, dass einer, der die Welt rettet, nur in Windeln in diesem Nest Betlehem liegt.

Aber da ist den Hirten, als würde neben ihnen jemand lächeln… War da wer?

Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.

Alle Jahre wieder wurden sie hingehalten mit politischen Versprechungen. Die Hirten haben nicht viel Ahnung von Fakten und Daten. Faktisch wissen sie, wie erbärmlich ihr Leben ist. Auf Rettungsprogramme geben sie nichts. Kommt sowieso nie bei ihnen an.. Und nun ein Säugling als König? Soll das wirken? Lukas ist Realist: Hirten glauben nicht einfach, dass durch Lichterscheinungen am Himmel die Welt eine andere wird. Und dann stehen sie da. Das also soll es gewesen sein? Dieses Mädchen, fix und fertig von der Geburt, eigentlich enttäuschend auch der schrumpelige Säugling. Die Entzauberung des Weihnachtsfestes: Da machen wir uns solche Mühe, solche Wege, solche Erwartungen, und dann aus der Nähe betrachtet – ist es doch nicht halb so außergewöhnlich, so überwältigend anders als sonst auch? Je aufgeladener die Erwartungen, desto enttäuschender die Nacht.

Aber irgendwas, irgendwer bringt die Hirten dazu, sich nochmal umzudrehen. Nur mal angenommen, sagen sie: Angenommen Gott würde endlich Schluss machen mit den Tyrannen der Zeit, was die kaputt gemacht, zerstört haben an Vertrauen. Vielleicht würde Er das Kaputte ja so verbinden wie ein Kind eingebunden werden kann in Windeln? Vielleicht muss jede noch so große Heilungsgeschichte gewöhnlich beginnen? Vielleicht geht die Welt jetzt neu los, vielleicht sogar mit jedem ersten Säuglingsschrei? Fakten, Zahlen, Prognosen? Wen interessiert das, sagen die Hirten. Wir haben einen Anfang gesehen. Ob man ihnen glaubt?  Sie wollen in der Nachbarschaft anfangen. Klingeln bei denen, die es ebenso erbärmlich erwischt haben.

Beim Verlassen des Stalls nimmt einer der Jungs noch aus dem rottenden Stroh ein paar Fasern in die Hand, bastelt unbeholfen einen Mini-Stern. Hat ihm da jemand beim Binden der Strohreste über die Hände gestreift, wie ein Hauch? Der Strohstern geht verloren. Aber Reste und Müll bleiben nicht Gottes letztes Wort. Mit dem Unbrauchbaren auf Anfang, das ist Gottes Sache. Darum nicht alle Jahre wieder weiter so. Darum nicht alles genauso wie im letzten Jahr.

Gott hat eine Idee zur Welt gebracht: Den Verwundeten ein Aufatmen, den zu kurz Gekommen ein Rückgrat, denen die noch nicht mal zählen, einen Namen und Adresse. Das ist Weihnachten. Was zerbrochen, schäbig, schmutzig und unbrauchbar geworden ist, bereitet er auf. Gott liebt Recycling... Bei Gott ist kein Provisorium zu gammlig, keine Wärmestube zu stickig, kein Kind zu klein oder zu verdorben, kein Hirte zu rau, kein Bürokrat zu verloren, kein junger Vater zu hilflos, als das Gott nicht neu mit ihnen beginnen könnte. Und das hab` du zum Zeichen, wenn du an der Krippe deines Heilands stehst. Einen Fetzen Zweifel im Herzen, ein Stück Stroh in der Hand. Und ein Engel, den du zuerst nicht spürst; vielleicht gibst du ihm eine zweite Chance?

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