02.01.2017
Drei Fragen an den Notfallseelsorger Justus Münster
epd-Gespräch: Lynn Osselmann
Berlin (epd). Nach dem Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt standen den Betroffenen am Montag und Dienstag über 30 Notfallseelsorger und Krisenhelfer bei. Auch Pfarrer Justus Münster, evangelischer Beauftragter für die Notfallseelsorge in Berlin, war vor Ort. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) berichtet er von den unterschiedlichen Reaktionen der Betroffenen und fordert eine gesetzliche Verankerung der Notfallseelsorge.
epd: Was brauchten die Betroffenen in Berlin?
Münster: Was Menschen in so einer Situation brauchen und wollen ist jemand, der signalisiert "Ich bin da, ich höre dir zu, ich bleibe bei dir". Gleichzeitig wollen die Menschen wissen, was denn da passiert ist und warum sie in solch einer Situation sind. Das versuchen wir dann zusammen mit den Einsatzkräften rauszufinden, um die Information an die Menschen weiterzugeben. Wir führen Gespräche mit den Betroffenen, um sie zu stützen und ihnen für die nächsten Stunden oder den nächsten Tag eine Perspektive zu eröffnen. Die Ereignisse haben uns noch mal gezeigt, wie wichtig Notfallseelsorge als psychosoziale Notversorgung und Teil der Rettungskette geworden ist. Es stellt sich nun die Frage, ob die Notfallseelsorge eine gesetzliche Verankerung bekommen sollte. Derzeit gibt es im Prinzip keinen Anspruch der Menschen auf Betreuung nach einer solchen Situation.
epd: Welchen Menschen standen Sie am Breitscheidplatz bei?
Münster: Es waren sowohl Zeugen als auch Angehörige unter den Menschen, denen wir geholfen haben. Manchmal waren es Angehörige, die gleichzeitig auch Zeugen davon waren, wie ein lieber Mensch dort schwer verletzt oder sogar getötet worden ist. Es waren auch Angehörige dabei, die wussten, dass ein Bekannter vor Ort war, aber nichts mehr von ihm gehört hatten und deswegen in Sorge zum Breitscheidplatz gekommen sind.
epd: Wie haben diese Menschen reagiert?
Münster: Alle Menschen standen an diesem Abend und am Tag danach unter dem Eindruck der Ereignisse, man kann da durchaus von einem Schock sprechen. Das, was die Betroffenen zeigten, ist eine normale Reaktion des Körpers auf dieses nicht normale Ereignis. Diese Reaktion kann sehr verschieden ausfallen. Es kann sein, dass manche Menschen nach außen hin sehr stark wirken. Es kann auch sein, dass Menschen sehr nach außen gehen, dass sie sehr emotional werden. Es kann aber eben auch sein, dass Menschen total in sich zusammensinken. Auch in Berlin gab es sehr unterschiedliche Reaktionen. Wir als Notfallseelsorger gehen jeweils sehr individuell auf diese Menschen ein.