Unendliche Geschichte

09.04.2015

70 Jahre nach der Zerstörung streitet Potsdam weiter über die Garnisonkirche

Evangelisches Barockbauwerk, preußische Militärkirche, Ort der NS-Inszenierung am "Tag von Potsdam" 1933: Am 14. April vor 70 Jahren wurde die Potsdamer Garnisonkirche zerstört. Über Geschichte und Wiederaufbau wird weiter gestritten.

8. April 2015. Potsdam (epd). Eine Wunde im Stadtbild ist sie für die einen, die anderen sehen die Baulücke nüchtern als Brache: Vor 70 Jahren wurde die Potsdamer Garnisonkirche zerstört, vor zehn Jahren der Grundstein für den Wiederaufbau gelegt. Doch am historischen Ort steht noch immer keine neue Kirche, denn es fehlt das Geld dafür. Nur ein Kriminalroman ist schon weiter: Dort hat der Wiederaufbau des Garnisonkirchturms 2016 bereits begonnen - und die Turmbaustelle wird erneut zerstört.

"Uns fehlen noch 17 von 40,3 Millionen Euro", sagt Peter Leinemann vom Vorstand der Garnisonkirchenstiftung über den zunächst geplanten Wiederaufbau des Kirchturms. Einige Bauteile für den fast 90 Meter hohen Turm wurden bereits angefertigt und warten nun auf den Baubeginn. Rund 50 Originalteile der Garnisonkirche, die kürzlich bei Bauarbeiten in Potsdam gefunden wurden, sind jetzt an die Stiftung übergeben worden. Als "Vermächtnis und Ermutigung", als Schatz und Geschenk würdigt sie Leinemann. Ob sie auch eingebaut werden können, ist offen.

Das Geld für die Garnisonkirche fließt nicht so üppig, wie einst gehofft. Rund zwölf Millionen Euro davon sind Bundesmittel, die nur ausgezahlt werden, wenn die Gesamtsumme gesichert ist. Und über das Vorhaben wird weiter erbittert gestritten. "Wir haben Vermittlungsprobleme bei vielen Potsdamern", räumt Burkhart Franck vom Stiftungskuratorium ein. Die Gegner des Wiederaufbaus argumentieren unter anderem mit der Nutzung der Kirche durch das preußische Militär und durch das NS-Regime am "Tag von Potsdam" 1933.

Seit vergangenem Jahr wird der Streit auch auf einem neuen Schlachtfeld ausgetragen, nun wird mit Unterschriften um die Garnisonkirche gekämpft. Mehr als 14.000 davon haben die Gegner des Wiederaufbaus 2014 in wenigen Wochen in einem Bürgerbegehren zusammenbekommen. Knapp elf Prozent der Wahlberechtigten in Potsdam haben sich darin gegen die Garnisonkirche ausgesprochen. Ein Bürgerentscheid, der weit aussagekräftiger gewesen wäre, wurde danach vom Stadtparlament verhindert.

Unterschriften gegen die Garnisonkirche sammelt seit vergangenem Herbst auch eine Christen-Initiative. Die historische Kirche stehe für Demokratieverachtung, Militärverherrlichung und Obrigkeitshörigkeit, kritisieren die Unterzeichner. Im Internet haben sie inzwischen bundesweit rund 550 Unterstützer, zu den Erstunterzeichnern zählen der Wittenberger Theologe und ehemalige DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer und die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD).

Auch die Garnisonkirchenstiftung ist seit einiger Zeit mit einer Unterschriftensammlung im Internet unterwegs und wirbt für den Wiederaufbau. Dort haben sie inzwischen rund 10.500 Unterstützer gefunden, darunter viele aus der Region, aber auch aus Seattle, Kopenhagen, München, New York und Rom. Gegeneinander aufrechnen lassen sich all diese Zahlen nicht, denn die verschiedenen Initiativen richten sich an unterschiedliche Zielgruppen.

Der einstige Initiator des Wiederaufbaus, der konservative frühere Bundeswehroffizier Max Klaar, ist längst aus dem Projekt ausgestiegen. Dass die neue Garnisonkirche auch ein Ort für feministische Theologie, Segnungen homosexueller Paare oder Kriegsdienstverweigerer werden könnte, war ihm ein Dorn im Auge. Seine Spendenmillionen will er nun anderweitig verteilen.

Die evangelische Kirche betreibt seit einiger Zeit in einer kleinen Kapelle am historischen Ort ein Zentrum für Friedens- und Versöhnungsarbeit, lädt zu Andachten, Konzerten und Vorträgen ein. Eine ihrer ersten Amtshandlungen dort sei eine Segenszeremonie für ein gleichgeschlechtliches Paar gewesen, erzählt Pfarrerin Cornelia Radeke-Engst. Zu ihren Hauptaufgaben zähle, "das Gespräch zwischen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zu moderieren", betont die Theologin. Am 70. Jahrestag der Zerstörung der Kirche im Zweiten Weltkrieg steht in der Kapelle das Gedenken an NS- und Kriegsopfer im Mittelpunkt.

Auch die Gegner laden ein: Sie wollen den zehnten Jahrestag der Grundsteinlegung mit einem "Festakt mit Denkmaleinweihung" am historischen Standort feiern. Damit wolle man "allen danken", die dazu beigetragen hätten, öffentliche Gelder für das Bauvorhaben bereitzustellen, die "ansonsten für die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude oder die Subventionierung von Bildungs- und Kultureinrichtungen verballert würden", heißt es in ihrem Aufruf. Die Stadt will in Kürze einen Bürgerdialog zur Garnisonkirche starten.

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