Vor zehn Jahren musste die Hornoer Dorfkirche der Braunkohle weichen

29.11.2014

 Pfarrer Berndt betreut von der Abbaggerung Betroffene

epd-Gespräch: Lukas Philippi

 

29. November 2014. Berlin (epd). Wegen des fortschreitenden Braunkohle-Tagebaus ist vor zehn Jahren in der Lausitz die fast 500 Jahre alte Dorfkirche von Horno (Brandenburg) gesprengt worden. Die Bewohner des 800 Jahre alten Dorfes wurden schon vorher umgesiedelt, die Gräber auf dem Friedhof umgebettet. Am Rand der benachbarten Stadt Forst ließ der Energiekonzern Vattenfall den Ersatzort Neu-Horno errichten. Jahre später bestimmt der Tagebau immer noch den Alltag in den betroffenen Dörfern und es drohen weitere Umsiedelungen durch die beantragten Tagebaue Jänschwalde-Nord und Welzow-Süd II, sagt Mathias Berndt, Pfarrer und Seelsorger für die von Braunkohle-Tagebau Betroffenen in der Lausitz im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

 

epd: Was hat die Sprengung der Kirche von Horno vor zehn Jahren bewirkt? Sind "Nachwirkungen" heute zu spüren?

 

Berndt: Seit Jahren kämpfen die Menschen in der Region mit der Tatsache, dass ihnen im wahrsten Sinne des Wortes der Boden unter den Füßen weggezogen werden soll. Das bedeutet eine riesige Verunsicherung. Junge Leute ziehen weg, Alte bleiben allein. Viele reagieren depressiv und sagen: "Es hat ja alles keinen Sinn, Horno wurde auch abgebaggert. Die Verantwortlichen machen mit uns sowieso, was sie wollen." Es gibt auch suizidale Gedanken. Menschen sagen mir, "hoffentlich bin ich tot, wenn der Abriss des Dorfes passieren sollte." Ein furchtbarer Gedanke gilt den Gräbern der Eltern und Vorfahren auf den Friedhöfen. Andere reagieren aggressiv, die Stimmung ist permanent gereizt. Es gibt Anfeindungen innerhalb der Dorfgemeinde. Dorffeste fallen aus oder bekommen einen anderen Charakter. Vor allem die am Grubenrand überleben müssen, die sogenannten Randbetroffenen, fühlen sich benachteiligt. Ihr Leben ist zur Hölle geworden: Lärm- und Feinstaubbelästigung, Sandstürme, sinkende und dann wieder steigende Grundwasserspiegel. Die Häuser bekommen Risse.

 

epd: Welche Aufgabe haben Sie als Seelsorger in dieser Situation?

 

Berndt: Dasein, Zuhören, Verständnis entwickeln und Zeichen setzen. So haben wir auf das Dach des denkmalgeschützten Pfarrhauses in Atterwasch eine Photovoltaikanlage installiert. Außerdem versuche ich, Wege aus der Krise aufzeigen, Hoffnung zu wecken: "Die Kirche verlässt euch nicht, was auch passiert." Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit Initiativen, Kirchengemeinden, Nichtregierungsorganisationen, politischen Verantwortungsträgern.

 

epd: Hat sich das Bild von den politischen Verantwortlichen vor Ort geändert?

 

Berndt: Vor zehn Jahren hat der damalige Ministerpräsident von Brandenburg, Manfred Stolpe, versprochen: Horno ist das letzte Dorf, das der Kohle weichen muss. Doch wie lange gilt so ein gegebenes Versprechen? Die Menschen fühlen sich mittlerweile von der Politik getäuscht und betrogen. So wird Politik unglaubwürdig.

 

epd: Wie wird die Energiewende in der Lausitz aufgenommen?

 

Berndt: Die Energiewende ist die Reformation des 21. Jahrhunderts. Nach rund 150 Jahren hat die alte Braunkohle-Technologie, die die industrielle Revolution möglich gemacht hat, ausgesorgt, weil sie zu ineffizient ist und zu viele Kollateralschäden verursacht: Klimawandel, Feinstaub, Verockerung von Flüssen, Vernichtung von Äckern, Wiesen, Wäldern, Mooren und Seen, Umsiedlung von Menschen und Zerstörung des Lebensraums von Tieren. Da wir die Möglichkeit haben, auf "saubere" Weise Energie zu erzeugen, dürfen wir ein 'Weiter so' bei der Kohle nicht zulassen. Der rasante Ausbau der regenerativen Energieerzeugung macht Mut, sich dafür einzusetzen.

 

epd: Die Braunkohlebefürworter argumentieren gern mit den Arbeitsplätzen.

 

Berndt: Das ist Quatsch! Keiner, auch nicht die Menschen in den bedrohten Dörfern, wollen die Kumpel arbeitslos machen. Und das Märchen, dass ohne Kohlekraftwerke das Licht ausgeht, glaubt hier auch keiner mehr. Die Auskohlung der bestehenden Tagebaue gibt Arbeit für 20 bis 30 Jahre. Die Renaturierung der Kippenflächen ist eine Aufgabe für mehrere Generationen und schafft Arbeitsplätze. Wichtig ist, jetzt mit dem Strukturwandel in der Lausitz zu beginnen und nicht zu warten, bis es zu spät ist. Die Politik ist gefordert, traut sich aber nicht aus Angst vor der Kohlelobby. Die eindeutige Mehrheit - ganz sicher mehr als 90 Prozent - der bedrohten Dörfer ist gegen die Erschließung neuer Tagebaue.

 

epd: Wie wird die schwedische Diskussion über einen möglichen Ausstieg des Staatskonzern Vattenfall aus der Braunkohleförderung in der Lausitz wahrgenommen?

 

Berndt: Das Signal der neuen schwedischen Regierung, sich aus der Kohleverstromung auch in Deutschland zurück zu ziehen, wird allgemein begrüßt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das heißt aber nicht, dass Vattenfall nicht auch die Vereinbarungen darüber hinaus erfüllen muss, die zugesagt wurden: die Renaturierung der Tagebaue ist eine Jahrhundertaufgabe. Gut wäre, wenn die Deutsche Regierung in Bund und Land ein ebensolches Zeichen setzen würde. Dann könnte man die bestehenden Tagebaue auskohlen, dabei die Braunkohle gen Null fahren und die erneuerbaren und Speichertechnologie weiter fördern.  Neue Tagebaue sind nicht nötig, sondern schädlich! Umsiedlungen sind nicht zeitgemäß!

 

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