22.01.2015
Die evangelische Schlosskirche von Cottbus wird zur Synagoge
Von Yvonne Jennerjahn (epd)
Erst Kirche, nun Synagoge: Fast 70 Jahre nach Ende des NS-Regimes bekommt Brandenburg wieder ein jüdisches Gotteshaus. Am Dienstag wird die Eröffnung gefeiert. Damit hat nun auch Brandenburg als letztes der 16 Bundesländer wieder eine Synagoge.
Cottbus (epd). In bunten Farben leuchten Darstellungen der zwölf Stämme Israels in den Fenstern, wenn im Innern der neuen Synagoge in Cottbus abends das Licht brennt. Der Thoraschrein wurde aus einer Birke vom jüdischen Friedhof der Stadt, Dachbalken eines ehemals jüdischen Hauses, aus blauem und goldfarbenem Glas angefertigt. Die neue Synagoge in einer früheren evangelischen Kirche wird am Holocaust-Gedenktag, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar, feierlich eingeweiht.
Viel musste an der einst für französische Glaubensflüchtlinge errichteten Kirche von 1714 nicht verändert werden, damit sie nun dem jüdischen Glauben dienen kann. "Wir haben die Kreuze abgebaut, alles andere ist wie früher", erzählt die Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Cottbus, Ulrike Menzel: "Die reformierten Hugenotten haben so genial gebaut, dass sie jetzt als Synagoge genutzt werden kann." Im vergangenen Herbst wurde die Kirche entwidmet. Die Kanzel wurde abgebaut, die Glocken abgenommen.
Das Land Brandenburg hat den Kauf des Bauwerks mit knapp 600.000 Euro finanziert und will auch jährlich 50.000 Euro zu den Betriebskosten beisteuern. Die jüdische Gemeinde hat sich im Gegenzug verpflichtet, die Nutzung als Synagoge für mindestens 25 Jahre zu gewährleisten.
Jüdisches Leben ist in Cottbus seit dem 15. Jahrhundert dokumentiert. Die erste jüdische Betstube wurde 1811 in einem Hinterhaus eingerichtet, 1858 wurde offiziell eine jüdische Gemeinde gegründet. Die 1902 eingeweihte historische Synagoge wurde bei den NS-Novemberpogromen 1938 niedergebrannt, bei der Befreiung 1945 lebten nur noch zwölf Juden in der Stadt. Erst 1998 konnte eine neue jüdische Gemeinde gegründet werden, heute zählt sie nach eigenen Angaben rund 350 Mitglieder.
Mit der Gemeinde freut sich auch der Zentralrat der Juden über die neue Synagoge. Das Gotteshaus sei ein "sichtbares Zeichen für das vielfältige, lebendige jüdische Leben, das sich wieder entwickelt hat", sagt Vizepräsident Mark Dainow, der auch an der Eröffnungsfeier teilnehmen will. Mit der Umwidmung der früheren Kirche sei die Synagoge zugleich ein Symbol für den Zusammenhalt der Religionen, betont Dainow: "Das ist in diesen Zeiten besonders wichtig."
Für den Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ist die Umwidmumg ein Glücksfall. "Mit keiner anderen Religion ist das Christentum so eng verbunden wie mit dem Judentum", betont Markus Dröge: "Der Ort steht für eine hoffnungsvolle Zukunft."
Doch nicht alle waren mit der Umwandlung der Kirche in ein jüdisches Gotteshaus einverstanden. Der Leserbrief einer Frau in einem Anzeigenblättchen habe am Anfang gestanden, erzählt Ulrike Menzel: "Und dann ging es los." Die Abgabe der Kirche sei hinter verschlossenen Türen beschlossen worden, "die da oben" hätten über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden, hieß es bei den Kritikern.
"Die Leute von 'Pegida' habe ich hier schon vorher erlebt", sagt die Superintendentin zu diesen Protesten lange vor Beginn der Dresdner "Pegida"-Demonstrationen und betont, die Öffentlichkeit sei über die bereits 2011 vom Gemeindekirchenrat beschlossenen Pläne durchaus informiert worden. Auch die Medien hätten darüber berichtet.
Die Schlosskirche habe zwar die "bewegendste Geschichte aller Kirchen in Cottbus", sagt Ulrike Menzel. 1989 war sie ein Treffpunkt der DDR-Opposition. Doch sie wurde nicht mehr gebraucht. Als Veranstaltungsort sei sie nicht benötigt worden, erzählt Menzel. Als Sehenswürdigkeit für Touristen habe das schlichte Bauwerk im Stadtzentrum auch nicht getaugt, sagt die Pfarrerin: "Die Leute waren schnell drin, aber auch schnell wieder draußen."
Dass in Deutschland eine evangelische Kirche zur Synagoge wird, hat es fast noch nie gegeben. In Hannover sei 2007 eine Kirche entwidmet worden, die seitdem als liberales jüdisches Gemeindezentrum genutzt werde, heißt es bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). 2008 sei in Bielefeld ähnlich verfahren worden - unter Protest einer Bürgerinitiative.
"Es ist schon eine ganz tiefe Freude, die ich empfinde", sagt Ulrike Menzel zur neuen Nutzung ihrer ehemaligen Kirche. Dass Cottbus so unkompliziert eine Synagoge bekommt und die Schlosskirche ein Gotteshaus bleiben kann, sei etwas ganz Besonderes, betont die Pfarrerin: "Was kann uns denn Besseres passieren!"