Wischiwaschi oder Kraft des Wortes?

18.09.2014

Die Politik der Kirchen in der späten DDR ist umstritten

Von Markus Geiler (epd)

 

18. September 2014. Berlin (epd). Ohne die Evangelische Kirche in der DDR keine friedliche Revolution! Mit Schutz und Obdach für die oppositionellen Gruppen machte sie den Herbst '89 erst möglich - so lautet die gängige These. Aber stimmt die auch?

 

Anfang der 1970er Jahre versuchte sich der amtierende Staatssekretär für Kirchenfragen in der DDR, Hans Seigewasser, als Prophet: Die Kirchen gebe es höchstens noch zwölf Jahre, verkündete er damals vor DDR-Gewerkschaftern. Spätestens dann, so die Hoffnung des SED-Regimes, habe sich das mit der Religion in der DDR endgültig erledigt. Seigewassers Nachfolger im Amt, Klaus Gysi, Vater des Linken-Politikers Gregor Gysi, war da in seiner Einschätzung realistischer. Die Kirchen werden noch da sein, "wenn wir alle schon längst tot sind", erklärte er nur wenige Jahre später gegenüber SED-Genossen - und sollte damit Recht behalten.

 

Die Kirchen sind noch heute da und sie suchen 25 Jahre nach dem Mauerfall nach ihrer Rolle in einer Gesellschaft, die sich ständig verändert, pluralistischer, bunter, multireligiöser und individueller wird. Da hilft es im Jubiläumsjahr, mal einen Blick zurück zu werfen, als die Mauer noch stand und die Kirchen in Ost und West eine wichtige politische Rolle spielten. "Die Kraft des Wortes", hieß eine Veranstaltung, zu der die Bundesstiftung Aufarbeitung gemeinsam mit der Evangelischen Akademie in Berlin am Dienstagabend eingeladen hatte. Thema war die Rolle der Kirchen vor, während und nach der friedlichen Revolution in der DDR und was davon vielleicht auf heute übertragbar ist.

 

Dabei zeigte sich sehr bald, wie unterschiedlich die Diskutanten die Rolle der DDR-Kirchen und ihrer Akteure im Rückblick bewerten. "Es gab viel Wagemut, aber auch viel Zurückhaltung", sagte der frühere Berliner Generalsuperintendent Martin-Michael Passauer. Die evangelische Kirche habe den revolutionären Kräften einen Ort geboten, sich zu formieren und habe mit ihrer offenen Arbeit Menschen eine Stimme gegeben, die in der DDR sonst keine hatten. Und sie sei durch die eigenen synodal oder parlamentarisch organisierten Leitungsgremien in der Übergangszeit bereits Demokratie-erfahren gewesen.

 

Das Verhältnis von Kirchen und oppositionellen Gruppen war ein großes Problem und werde nach seiner Einschätzung bis heute verkannt, sagte der Magdeburger Altbischof Christoph Demke. "Der Umgang mit den Gruppen war in den Kirchenleitungen der einzelnen Landeskirchen sehr unterschiedlich." Er selbst habe den oppositionellen Gruppen immer geraten, auszutesten, wie weit sie gehen können, aber gleichzeitig auch nicht zu erwarten, dass er "mit vorprescht", wie Demke es ausdrückte, der von 1983 bis 1997 an der Spitze der früheren Kirchenprovinz Sachsen stand. Bei direkten Gesprächen mit DDR-Funktionären hätte man sich deren Sprache bedienen müssen, um etwas zu erreichen.

 

Die große Zäsur im Umgang mit den DDR-Behörden kam laut Demke, der auch die Anekdoten von Seigewasser und Gysi berichtete, Ende der 1970er Jahre, als der DDR klar wurde, sie musste sich mit den Kirchen arrangieren. Bei einem Treffen zwischen DDR-Kirchenleitungsvertretern unter dem damaligen Bischof Albrecht Schönherr und DDR-Staats- und Regierungschef Erich Honecker im März 1978 sprach dieser den Kirchen ein eigenständiges Wirken als "bedeutsamer Faktor des gesellschaftlichen Lebens" zu.

 

Was folgte war eine deutliche Entspannung im Verhältnis zwischen beiden Seiten. Für Christian Halbrock, als Mitbegründer der Berliner Umwelt-Bibliothek ein Protagonist der damaligen oppositionellen Gruppen, setzte hingegen auf Kirchen-Seite eine "Wischiwaschi-Politik" gegenüber dem SED-Regime ein. "Es begann eine schleichende Entsolidarisierung mit den Menschen, die sich auflehnten, die vieles kaputt gemacht hat", sagte der Historiker, der heute bei der Stasi-Unterlagenbehörde arbeitet. Deshalb seien viele der Gruppen dann später aus der Kirche "herausgewachsen". Das Schutzdach der Kirche - wie oft behauptet - habe es "absolut" nicht gegeben. "Es waren einzelne Diakone und Pfarrer, die sich engagierten. Die haben die Kirche gerettet", fügte Halbrock hinzu.

 

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