24.07.2021
Nach einem Jahr Corona-Pause ist wieder eine Parade zum Christopher Street Day durch Berlin gezogen. Die Demonstration sexueller Minderheiten hatte diesmal vor allem Protestcharakter. Wie wichtig dieser Einsatz ist, zeigt ein Ereignis vom Vorabend.
Berlin (epd). Rund 35.000 Menschen sind am Samstag für die Rechte sexueller Minderheiten in Berlin auf die Straße gegangen. Die sogenannte Pride-Demonstration zum 43. Christopher Street Day stand unter der Überschrift „Save our community - save your pride“. Zu den 32 im Vorfeld formulierten Forderungen zählten der Abbau von Diskriminierung im Arbeitsleben, eine konsequentere Verfolgung von Straftaten gegen queere Menschen und die Berücksichtigung anderer Lebensweisen in Lehrmaterialien. Die Veranstalter hatten rund 20.000 Teilnehmern angemeldet.
Im Gegensatz zur Vor-Corona-Zeit gab es keine Party-Trucks, sondern eine Kundgebung mit mehreren Rednern und eine Fußdemonstration durch die Innenstadt. Die Teilnehmer führten unzählige Regenbogenfahnen mit sich. Am Straßenrand wurde der Protestzug von Tausenden Schaulustigen verfolgt.
CSD-Anmelder Nasser El-Ahmad sagte dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), Homo- und Transphobie hätten auch in der Pandemiezeit keine Pause eingelegt. Die entsprechenden Anzeigen hätten sich in dieser Zeit sogar verdoppelt. „Und das passiert halt nicht nur virtuell, sondern auch auf der Straße“, betonte El-Ahmad. Er verteidigte zugleich die stärkere politische Ausrichtung der Veranstaltung: „Die Community ist schrill, bunt, laut, und das ist gut so. Aber das Politische muss einfach in den Vordergrund.“
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) rief anlässlich der Parade zur Bekämpfung homophober Denkmuster auf. Zwar gelte die deutsche Hauptstadt „als die Regenbogenhauptstadt Europas“, erklärte er. Aber auch hier sei homophobes Denken und Handeln ein Problem: „Dem müssen wir uns gemeinsam entgegenstellen.“
Wegen der Coronavirus-Pandemie galten strenge Hygiene- und Abstandsregeln, Masken zur Bedeckung von Mund und Nase mussten dauerhaft getragen werden. Die Route führte ab Mittag von der Leipziger Straße über Potsdamer Platz und Brandenburger Tor bis zur Siegessäule und weiter zur Urania. Die Polizei sprach auf epd-Anfrage von rund 35.000 Teilnehmern. Teilnehmer mussten nach den Worten eines Polizeisprechers immer wieder daran erinnert werden, Masken zu tragen und Abstand zu halten.
Vor der Pride-Demonstration war im Tiergarten am dortigen Denkmal der in der NS-Zeit verfolgten und ermordeten Homosexuellen gedacht worden. Deren Schicksal sei viel zu lange totgeschwiegen worden, schrieb Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der später den CSD offiziell eröffnete, im Kurznachrichtendienst Twitter und appellierte: „Kein Vergessen!“
An der Demonstration beteiligt war auch in diesem Jahr der Evangelische Kirchenkreis Berlin Stadtmitte. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hatte am Freitagabend bei einem Gottesdienst um Vergebung für die Diskriminierung und Ausgrenzung queerer Menschen in den eigenen Reihen gebeten.
Am Vorabend des 43. Christopher Street Days war in Berlin eine Gedenktafel für die homosexuelle Emanzipationsbewegung in Deutschland beschädigt worden. Wie die Polizei mitteilte, wurden Teile der dort abgebildeten Gesichter ausgebrannt. Der Polizeiliche Staatsschutz hat Ermittlungen aufgenommen.