20.04.2023
Die Letzte Generation traf sich in der Thomaskirche in Kreuzberg
Amet Bick: Bischof Stäblein, wie stehen Sie dazu, dass eine Kirche sich für die Letzte Generation öffnet? Bedeutet das, dass die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sich mit den umstrittenen Klima-Protesten solidarisch erklärt?
Bischof Christian Stäblein: Der Kirchenkreis Stadtmitte öffnet beispielsweise die Thomaskirche in Kreuzberg für die „Letzte Generation“, das ist richtig. Hier wird ein kirchlicher Raum angeboten, in dem Gespräch möglich werden soll, ein Raum, in dem auch wir als evangelische Kirche mit ihnen ins Gespräch kommen wollen. Wir setzen uns für die Bewahrung der Schöpfung und für Gerechtigkeit global und lokal ein. Ich bin sehr dafür, dass wir zügig beim Klimaschutz vorankommen. Wir müssen tun, was wir können, umsteuern, wo wir nur können, um die auf uns zukommende Klimakatastrophe abzuwenden. Das ist die Herausforderung unserer Zeit.
Ich habe allerdings kein Verständnis für die Methoden, auch wenn ich wahrnehme, dass sie selbst den Widerstand gewaltlos verstehen. Es bleibt Rechtsbruch, sie wissen darum, ihr Protest lebt von diesem Bruch, sie sind bereit, die Konsequenzen zu tragen. Insofern: ja zu dem Anliegen Schöpfungsbewahrung und schnellere Umsetzung des Anstehenden, aber nein zu den Protestformen.
Amet Bick: Sie sagten, Sie möchten kirchlichen Raum für das Gespräch öffnen. Wie sieht das aus?
Bischof Christian Stäblein: Kirchen sind meiner Ansicht nach wunderbare Orte, um konstruktiv und gewaltfrei miteinander zu streiten und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Wir brauchen ein Miteinander im wechselseitigen Respekt, um all die Krisen und Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Es beunruhigt mich zutiefst, wie sich die Fronten verhärten, wie die Verzweiflung wächst. Wir brauchen Brücken im Gespräch. Es ist gut, wenn wir dafür Räume haben, und Kirchen sind solche Räume. Wir haben genug mit der Sorge um diesen Planeten, mit den steigenden Temperaturen, sterbenden Wäldern, extremer werdenden Wettern zu tun. Ich wünsche mir, dass wir als Kirche zwischen Endzeiterwartungen und Empörung Raum schaffen, so dass alle gehört und mit ihren Perspektiven, Ängsten und ihrer wachsenden Ungeduld ernst genommen werden. Die evangelische Kirche ist vielstimmig, sie bietet verschiedenen Positionen ein Zuhause.
Amet Bick: Gibt es Kritik daran, dass die Kirche der Letzten Generation Raum gibt?
Bischof Christian Stäblein: Ja, die gibt es, selbstverständlich. Diese Form des Klimaprotests ist darauf angelegt den Alltag und die Routinen zu stören. Entsprechend sind die Reaktionen. Evangelisches Prinzip ist, das Gespräch zu fördern, aber nicht die spaltenden Polarisierung. In der evangelischen Kirche ist wie in der Gesellschaft die gesamte Brandbreite an Meinungen vertreten, das ist gut so. Ich hoffe, es kommt in den nächsten Tagen zu fruchtbaren Diskussionen, nicht zu immer mehr Verhärtungen.