Bischof Stäblein: "Was würde Jesus sagen? Holt sie da raus aus Moria."

16.09.2020

In seiner BZ-Kolumne schreibt Christian Stäblein über Moria

Das Flüchtlingslager in Moria auf Lesbos lange vor dem Brand. Foto: KatastrophenhilfeDas Flüchtlingslager in Moria auf Lesbos lange vor dem Brand. Foto: Katastrophenhilfe

Jeden Monat schreibt Bischof Stäblein zu aktuellen geistlichen und politischen Themen eine Kolumne in der B.Z. Diesmal geht es um die Geflüchteten in Moria:

"Vor gut einer Woche hat es im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos gebrannt. Es sind schockierende Bilder, die wir von dort vor Augen haben.

Vorgestern habe ich mit einer Pfarrerin telefoniert, die derzeit auf der Insel ist. Was sie schildert, ist schrecklich. Es gibt nicht genug Essen für die Geflüchteten. Manche Kinder haben über Tage nichts bekommen. Auf den Straßen, auf denen sie nach dem Brand im Lager, leben müssen, suchen sie bei über 30 Grad Celsius vergeblich nach Schatten. In den Wäldchen, in die sie sich flüchten, gibt es keine sanitären Anlagen. Die Angst ist groß. Die Gewalt ist immer da. Das neue Lager auf jeden Fall zu klein. Die Hilfe der großen Nicht-Regierungsorganisationen kann nur schleppend anlaufen, noch fünf Tage nach dem Brand fehlen zentrale Verteilstellen.

Was würde Jesus sagen – so ist dieser Text, in dem wir hier einmal die Woche von den Kirchen schreiben, übertitelt. Was würde Jesus sagen? Ja was? Dass das eine Schande für Europa ist, dass wir keine Hilfe für hungernde Menschen haben? Gut möglich. Dass er sich für uns schämt – weil es hier gar nicht mal groß um Glauben, sondern schlicht um Menschlichkeit geht? Aber ja. Dass er nicht begreifen kann, wieso wir nicht wenigstens die Kinder alle und sofort aufnehmen? Es sind so viele unbegleitete Kinder dabei, wir wissen das und reden darüber schon seit letztes Jahr Weihnachten. Immer noch ist nichts passiert. Würde Jesus das sagen? Kann ich mir vorstellen. Oder würde er einfach nur den Kopf schütteln? Oder würde er zuhören – uns erzählen lassen, wie schwierig manches heute in der Politik ist und wie sehr viele eben sagen, es muss doch eine europäische Lösung sein, ein europäischer Weg, den alle mittragen. Ja, denke ich, vermutlich würde er zuhören, würde sich tatsächlich unsere Ausflüchte und Bedenken anhören. Zuhören, eine ganze Weile, das kann er, das erzählt die Bibel immer wieder. Und dann? Was dann sagen? Helft. Tut. Bitte, im Namen der Menschlichkeit. Im Namen Gottes: Lasst die Menschen nicht allein. Holt sie da raus aus Moria. Endlich. Die Kinder. In Gottes Namen: seht doch die Kinder. Was würde Jesus sagen? Ich denke: das."

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