26.07.2020
Der Direktor des Berliner Missionswerkes zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit
Der Direktor des Berliner Missionswerkes, Christof Theilemann, plädiert für eine umfassende Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Deutschlands. "Ich denke, dass Deutschland als Ganzes hier mehr tun kann und muss", sagte Theilemann dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Die Aufarbeitung der Vergangenheit diene der besseren Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. Dazu könne auch die Umbenennung von kolonialbelasteten Straßen oder U-Bahnhöfen gehören. Voraussetzung dafür sei, dass die Umbenennung "das Fazit eines differenzierten wissenschaftlichen Auswertungsprozesses im Zusammenhang einer öffentlichen Debatte" ist, sagte der evangelische Theologe.
"Wir als Missionswerke und Kirchen sind schon seit längerem mit dieser Aufarbeitung befasst", sagte Theilemann. Dies werde nicht so bald abgeschlossen werden können, weil die Fülle der vorhandenen Materialien differenziert bewertet werden müsse: "Aber wir sind an diesem Thema dran. Wir diskutieren diese Frage untereinander, mit unseren Partnern im Ausland und mit wissenschaftlichen Beraterinnen und Beratern unter anderem von der Humboldt-Universität."
Auch in den Partnerländern des Missionswerkes gebe es eine breite Debatte über die eigene Vergangenheit als Kolonien und über die Diskussionen darüber in Europa. "Die überwiegende Reaktion unserer Partner ist aber eine weit positivere Einschätzung unserer Mission, als das in Deutschland wahrgenommen wird", sagte der Missionsdirektor. Da gebe es große Dankbarkeit für das, was die Mission geleistet habe: "Man warnt uns immer wieder, bei aller nötigen Selbstkritik zum Thema Mission, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten."
Auch müssten "die verschiedenen Situationen" jeweils einzeln angeschaut werden, sagte Theilemann: "Die Lage in Südafrika war eine andere als in Ostafrika. Und sie war in Ostafrika vor der Errichtung der Kolonie Deutsch-Ostafrika eine andere als während der Zeit des Bestehens dieser Kolonie." Dies gelte auch für die deutsche Marinebasis Qingdao in Nordchina im Vergleich zur britischen Herrschaft in Hongkong.
Theilemann betonte, es seien sicherlich auch Fehler gemacht worden, "dort, wo die Kommunikation des christlichen Glaubens vermengt wurde mit einer bestimmten Sicht von Zivilisation oder Kultur". Mitunter hätten Missionare die durchgehend nötige Differenzierung zwischen Mission und Kolonialismus nicht so vollzogen, wie es hätte sein müssen. "Das ist aber nur die eine Seite der Medaille", sagte der Theologe. Es habe unter den Missionaren und Missionarinnen etliche Menschen gegeben, die dem Kolonialregime gerade wegen ihres Glaubens kritisch gegenüber standen.
Das Berliner Missionswerk wurde 1824 als Gesellschaft zur Förderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden gegründet, um die Missionstätigkeit zu unterstützen. Heute unterstützt es Partnerkirchen auf mehreren Kontinenten.
(epd)
www.berliner-missionswerk.de