02.10.2021
Für den Oktober 2021 wurde eine Kirche im Havelland ausgewählt
Vor wenigen Wochen wurde in Göttlin, einem Ortsteil der Stadt Rathenow gefeiert: Nach gut zweijähriger Bauzeit konnte die Wiedereinweihung der sanierten Dorfkirche mit einem Festgottesdienst und einem kleinen Gemeindefest feierlich begangen werden.
Die mit rotem Backstein verblendete Göttliner Kirche in ihrer heutigen Gestalt entstand 1890 nach Plänen des Rathenower Baurats Rudolf Schuke. Ein Vorgängerbau aus Ziegelfachwerk war wohl teilweise marode geworden. Immerhin wurde der im Kern noch aus dem Mittelalter stammende Westgiebel mit dem eingezogenen Turm aus verputztem Fachwerk mit Zeltdach integriert. Über dem rundbogigen Westportal findet sich ein Sgrafitto aus den 1970er Jahren, das Maria mit dem Jesuskind in der Formensprache orthodoxer Ikonenmalerei darstellt.
Aus dem Vorgängerbau war ein barocker Kanzelaltar übernommen worden, der jedoch, ebenso wie das Gestühl und ein Rokoko-Leuchter, dem Furor der siebziger Jahre zum Opfer fiel, als vielerorts der „alte Plunder“ aus den Kirchenräumen entfernt wurde, um die Kirchenräume „zeitgemäß“ umzugestalten. Auch die von dem Rathenower Instrumentenbauer Eduard Duchrow (1811-1905) gebaute Orgel ist nicht erhalten. Heute schmückt ein schlichtes Holzkreuz den hölzernen Altartisch, hinter dem ein in den Farben der Havellandschaft neu gestaltetes Fenster die Blicke auf sich zieht. Ältestes Ausstattungsstück ist eine 1690 von Jacob Wenzel aus Magdeburg gegossene Glocke, die glücklicherweise die beiden Weltkriege überdauert hat.
In den vergangenen Jahrzehnten war die Kirchengemeinde immer wieder gefordert, ihre Kirche zu erhalten und instand zu setzen. Nach 1945 mussten schwere Kriegsschäden an der Ostseite und am Dachstuhl beseitigt werden, 1972 machte ein Sturm erneut Reparaturen notwendig. Beide Male nahm die Gemeinde regen Anteil an den notwendigen Arbeiten. Da die Reparaturen seinerzeit mit den begrenzten Mitteln der Nachkriegs- bzw. DDR-Zeit ausgeführt werden mussten, war eine grundlegende Instandsetzung dringend geboten. Nach mehreren Anläufen, die Finanzierung zu stemmen, konnte 2019 mit Hilfe von Mitteln aus dem Staatskirchenvertrag des Landes Brandenburg und einem erheblichen Eigenanteil mit der Sanierung begonnen werden. In zwei Bauabschnitten wurden der Turm und das Kirchenschiff inklusive der Farbglasfenster grundlegend instandgesetzt.
Zahlreiche Spenden konnten dafür aus der Gemeinde und dem Ort eingeworben werden. Auch die beiden Bäcker des Nachbarortes sammelten mit dem Verkauf eines speziell kreierten „Kirchen-Brotes“ Geld zugunsten der Instandsetzungsarbeiten. Mit weiteren zweckgebundenen Spenden konnte zusätzlich zur Hüllensanierung die um 1900 entstandene Turmuhr repariert werden, die ursprünglich in der ehemaligen Kaserne des Rathenower Husaren-Regiments „von Zieten“ gehangen haben soll. Den krönenden Abschluss der Maßnahmen bildete die Ertüchtigung der Glockenanlage. Die bereits erwähnte Bronzeglocke von 1690 hängt wieder in einem Holzjoch; in den 1960er Jahren hatte sie eine Stahlträgeraufhängung erhalten, was langfristig zu einer Schädigung des Glockenkörpers führen kann und auch das Klangbild wesentlich beeinträchtigt. Nach dem zusätzlich erfolgten Einbau einer elektrischen Läuteanlage wird jetzt wieder jeden Abend pünktlich um 18 Uhr in Göttlin der Feierabend eingeläutet. Der Förderkreis Alte Kirchen unterstützte das Vorhaben mit einem finanziellen Zuschuss.
Schon vor der umfangreichen Sanierung verstand sich die Göttliner Dorfkirche als offenes Haus der Einkehr. Zahllose Radfahrer legen an dem am Havel- und am Havelland-Radweg gelegenen Gotteshaus eine kurze Rast ein. Vor der Eingangstür lädt dazu weithin sichtbar das Schild „Offene Kirche“ ein.
Weitere Informationen: Ev. Hoffnungskirchengemeinde im Elb-Havel-Winkel; Pfarrerin Katrin Brandt; Göttliner Dorfstraße 10; 14712 Rathenow; Tel.: 03385-510320; k.brandt