31.05.2021
Im Juni 2021 ist eine Kirche in der Uckermark ausgewählt worden
Der heute hart an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern liegende Ort wurde 1321 mit der Schreibweise „Craz“ als villa, also Dorf, urkundlich erwähnt. Nach dem nur wenige Jahrzehnte später angelegten Landbuch Kaiser Karls IV. lag der Ort im Jahr 1375 bereits völlig wüst („omnino deserta“). Interessant ist jedoch, dass das Landbuch unter anderem auch drei Pfarrhufen erwähnt – scheint dies doch zu beweisen, dass Kraatz damals bereits über ein Kirchengebäude verfügte. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde der Ort langsam wieder besiedelt. Noch 1712 war „der Acker zum größten Teil mit Busch bewachsen“, wie der damalige Prediger Müller berichtete. Erst die Ansiedlung hugenottischer Glaubensflüchtlinge aus Frankreich half dem Dorf wieder auf die Beine.
Welche Gestalt die erste Kirche von Kraatz hatte, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Vermutlich jedoch handelte es sich um kein steinernes Gebäude. Die Weihe einer neuen Kirche erfolgte im Jahr 1720. Damals entstand ein Fachwerkbau mit den ungefähren Abmessungen vom 19 x 10 Metern. Alte Dokumente erwähnen einen Altar, eine Kanzel, einen Beichtstuhl, eine Familiengruft (vermutlich der Patronatsfamilie von Arnim) sowie einen Turm mit Glocke. Auch diesem Gotteshaus war kein langes Leben beschieden. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude als baufällig beschrieben, bevor ein heftiger Sturm es endgültig zum Einsturz brachte.
Es dauerte einige Jahrzehnte, bis der nunmehr dritte, heute noch erhaltene Kirchenbau in Angriff genommen wurde. Am 2. Dezember 1855 endlich wurde im Auftrag des damaligen Gutsbesitzers und Kirchenpatrons Wilhelm Schröder die im neugotischen Stil aus sorgfältig gefugten Spaltsteinen errichtete Kirche mit ihrem 27 Meter hohen Backstein-Turm feierlich eingeweiht. Der Innenraum unter einer flachen Holzdecke verfügt über einen Kanzelaltar, ein stattliches Patronatsgestühl und eine steinerne Taufe – sämtlich aus der Bauzeit der Kirche. Am Kanzelkorb finden sich acht spätgotische Schnitzfiguren aus der Zeit um 1500. Durch ihre Attribute sind sie als Apostel zu identifizieren. Da der Ort Kraatz zur Zeit ihrer Herstellung wüst lag und über kein eigenes Kirchengebäude verfügte, müssen sie aus einem anderen Ort hierher verbracht worden sein. In seinem Buch „Die mittelalterlichen Kirchen der nördlichen und östlichen Uckermark“ vermutet Matthias Friske, dass die Skulpturen, die jeweils etwa 27 cm groß sind und mit ziemlicher Sicherheit einst ein Altarretabel schmückten, aus dem nicht weit entfernten Hildebrandshagen stammen.
Insgesamt befindet sich die kleine Kraatzer Kirche in einem verhältnismäßig guten Bauzustand. Als dringend erforderlich erwies es sich jedoch, Notsicherungsarbeiten an der Dachdeckung vorzunehmen. Die marode Biberschwanzdeckung war schadhaft, so dass eindringende Feuchtigkeit drohte, Schäden an der hölzernen Konstruktion des Dachtragwerkes zu verursachen. Die Kraatzer Kirche „wird nicht mehr für die gemeindliche Arbeit benötigt“, Gottesdienste finden hier nicht mehr statt. Diese Tatsache verbot eine umfangreiche Instandsetzung, die viel Geld gekostet hätte. Notwendig war jedoch eine Notsicherung, um das auf der Denkmalliste stehende Kirchengebäude für spätere Generationen zu bewahren.
Nun wurde die Dacheindeckung repariert: Kaputte Dachsteine wurden ausgetauscht, fehlende bzw. marode Holzsplisse gegen Metallsplisse ausgetauscht und ein Mörtelverstrich vorgenommen. Im Eingangsbereich am Ostgiebel konnten Reparaturen am Mauerwerk vorgenommen werden. Der finanzielle Aufwand hielt sich in vertretbaren Grenzen; der Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg beteiligte sich mit einem Förderbetrag in Höhe von 3.000 Euro. Nun ist der Kraatzer Kirche zu wünschen, dass sich bald Menschen finden, die sie „wachküssen“ und wieder mit Leben erfüllen.
Weitere Informationen:
Evangelisches Pfarramt Schönwerder; Pfarrer Christian Hering; Tel.: 039858-480986; Mail: pfarramt-schoenwerder@kirche-uckermark.de