10.04.2020
Wie Bestattungen und Trauern trotzdem möglich sind, erläutert die Berliner Pfarrerin Tanja Pilger-Janßen im Interview mit ekbo.de
ekbo.de: Wie laufen kirchliche Bestattungen im Normalfall ab?
Pfarrerin Tanja Pilger-Janßen: Bei kirchlichen Bestattungen gibt es zuerst eine 30-minütige Trauerfeier in der Kapelle auf dem Friedhof. Diese gestaltet ein Pfarrer oder eine Pfarrerin, nachdem man ein Trauergespräch mit den Angehörigen geführt hat. Es gibt Musik zum Einzug und Auszug, es ist eine sehr feierliche Atmosphäre. Manchmal werden Lieder gesungen oder Lieder von einer CD eingespielt. In der Traueransprache versucht die Pfarrperson, das Leben des Verstorbenen im Lichte der biblischen Botschaft und des christlichen Glaubens zu deuten und zugleich Trost den Trauernden zu geben. Nach der Trauerfeier folgt am Grab die Beisetzung mit Texten, Gebeten und Segen.
ekbo.de: Wie werden kirchliche Bestattungen zur Zeit der Corona-Krise durchgeführt?
Tanja Pilger-Janßen: Die Regelungen sind hier zunehmend verschärft worden. Anfangs waren Trauerfeiern noch bis zu 50 Personen zugelassen, seit letztem Wochenende sind Trauerfeiern auf maximal 10 Personen begrenzt. Hinzu kommt, dass Kapellen oder Trauerhallen nicht mehr genutzt werden dürfen. Anwesenheitslisten werden ausgelegt und es muss auf einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen den teilnehmenden Personen geachtet werden. Zudem gibt es den Rat, den Ablauf kurz zu halten. Dies bedeutet konkret, dass die Trauerfeier mit der Ansprache für die verstorbene Person draußen vor der Kapelle abgehalten wird. Musikalische Begleitung durch eine Orgel kann es nicht geben. Man kann über Handy und Lautsprecher aber sehr wohl Musik abspielen. Ich selbst habe es so erlebt, dass wir in einem großen Kreis standen. Der Friedhof hat im Eingangsbereich der Kapelle eine gute Form gefunden, die Urne und den Blumenschmuck angemessen zu platzieren.
ekbo.de: Was löst das für Emotionen bei Ihnen als Pfarrerin aus?
Tanja Pilger-Janßen: Mir tut es für die Angehörigen leid, die durch diese Einschränkungen nicht in der Weise feierlich Abschied nehmen können, d.h. dass sie eine kleinere Trauergemeinde sind und dass alles draußen stattfindet. Die Einschränkungen haben ja nichts mit einer verstorbenen Person zu tun. Die Trauer, die die Angehörigen empfinden und ihr Wunsch nach einer würdevollen Beisetzung, sind unabhängig von der Pandemie. Daher habe ich mich sehr darum bemüht, den Angehörigen gegenüber zugewandt und hilfsbereit zu sein: Die Ansprache habe ich nicht kürzer gehalten als bei einer üblichen 30-minütigen Trauerfeier. Alle Texte, Gebete und die Ansprache stelle ich den Angehörigen zur Verfügung, damit die, die jetzt nicht kommen konnten, im Nachhinein noch Nachlesen und so im Geiste leichter Abschied nehmen können. Denn eine Trauerfeier ist im Trauerprozess ein wichtiger Schritt – und so kann man ihn zumindest zu Hause mitvollziehen.
Gleichwohl war es eine gute Trauerfeier, die sicherlich für alle unvergesslich bleiben wird. Dafür hat es in dieser kleinen schlichten Form auch etwas sehr Vertrautes, dass man den Einzelnen fast ganz persönlich die Ansprache zuspricht und wirklich miteinander betet. Das ist auch ein ganz dichter, intensiver Moment, der sehr gut ist.
ekbo.de: Wie geht es den Angehörigen dabei?
Tanja Pilger-Janßen: Im Vorfeld der Beisetzung hatten die Angehörigen zusätzlich viel zu regeln und zu koordinieren, weil sich so viel in so kurzer Zeit verändert hat – und dies traf auch auf die Friedhofsbestimmungen zu. Dass nicht alle mitkommen konnten, wie es anfangs gedacht war, ist für Angehörige schwer. Denn eine große Trauergemeinde tröstet und gibt Halt – und das fehlt. Und dass die Trauernden einander auch nicht berühren dürfen – die Abstandsregelung gilt ja auch hier – ist natürlich auch nicht leicht. Denn nicht nur der Handschlag, auch eine feste Umarmung gehören genuin zur Anteilnahme beim Tod eines Menschen hinzu.
Tanja Pilger-Janßen ist Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Dahlem. Das Interview führt Bianca Krüger