05.04.2020
Die Kunst- und Kulturstiftung der EKBO feiert ihr 20-jähriges Jubiläum
Von Ulrike Mattern
„In Zuversicht und mit unerschütterlicher Hoffnung freuen wir uns auf ein Wiedersehen in St. Matthäus“, schreibt das Stiftungsteam in einer E-Mail und sendete im Anhang Wochenspruch, Lied, Bibeltext, Gebet und Predigt für zu Hause gleich mit. Der geplante hORA-Gottesdienst zum 20-jährigen Jubiläum der Kunst- und Kulturstiftung St. Matthäus fand wie alle weiteren Veranstaltungen nicht statt. Für individuelle Augenblicke der Besinnung, als Fels in der Brandung in dieser von schlechten Nachrichten erzwungenen Auszeit, bleibt die Kirche zwischen Neuer Nationalgalerie, Gemäldegalerie und Philharmonie als einziges Gebäude Dienstag bis Samstag von 12 bis 16 Uhr geöffnet. Hier, am Berliner Kulturforum unweit des Potsdamer Platzes, herrscht die große Stille. Auch die Berliner Philharmoniker musizieren nicht mehr vor Publikum im Konzertsaal, sondern kostenlos im Internet, in der Digital Concert Hall.
Blicken wir zurück und dabei nach vorn: Mit ihrem Rechtssitz am Dom zu Brandenburg an der Havel bilde die Kunst- und Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz die gesamte Landeskirche ab, sagt ihr Direktor Hannes Langbein. Seit 2017 gibt es in Brandenburg alle zwei Jahre das „Artist in Residence“-Projekt; Künstler*innen verbringen rund drei Monate am Dom, vertiefen Kontakte zur Gemeinde, initiieren Kunstprojekte mit den Schülerinnen und Schülern des Domgymnasiums und lassen die ortspezifischen Erkundungen in ihre Arbeiten oder Ausstellungen einfließen. „Die Nachwuchsförderung ist im Werden“, sagt Hannes Langbein. Mit der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig bestehen bereits gute Kontakte.
Stiftungsdirektor Hannes Langbein ist ab diesem Jahr auch Kunstbeauftragter der EKBO; in dieser Funktion berät er Kirchengemeinden in Stadt und Land hinsichtlich „ästhetischer Gestaltungsfragen“. Zurzeit halten ihn rund 20 Projekte parallel auf Trab, darunter die Ausstattung der Kapelle am künftigen Flughafen Berlin Brandenburg und die Ausschreibung eines Künstlerwettbewerbs für die Kapellenfenster in der Wunderblutkirche von Bad Wilsnack. In der Geschäftsstelle der Stiftung St. Matthäus in der Auguststraße in Berlin-Mitte, unweit von Galerien und Ausstellungshäusern wie dem KW Institute for Contemporary Art und me Collectors Room, entwickelt Hannes Langbein mit seinem kleinen Team Monat für Monat ein umfangreiches Kunst- und Kulturprogramm.
Bei ihrer Gründung am 29. März 2000 wurde die gemeinnützige Stiftung mit 2,5 Millionen Euro von der evangelischen Landeskirche einmalig finanziell ausgestattet, sie hat keine Parochialgemeinde und erhält keine Kirchensteuer. Rund 200.000 Euro muss die Stiftung jährlich für Gehälter und laufende Kosten selbst einwerben, unterstützt von der Landeskirche, von Privatspendern, Sponsoren und mit öffentlichen Mitteln, etwa aus dem Hauptstadtkulturfonds und dem Bundeskulturministerium. Der Bund beteiligt sich demnächst auch an der Sanierung des Kirchengebäudes am Kulturforum.
Bereits unter ihrem Gründungsdirektor und langjährigen Kunstbeauftragten Christhard-Georg Neubert hat die Stiftung in der Berliner Citykirche St. Matthäus hochkarätige Ausstellungen zeitgenössischer Künstler*innen präsentiert. Während des Evangelischen Kirchentages 2017 nahm das britische Künstlerduo Gilbert & George mit der Fotoserie „Scapegoating Pictures“ (Sündenbock-Bilder) den Kirchenraum in Beschlag. Nach dem Leitungswechsel waren unter anderem Werke der Malerin Kristina Girke und von Jorinde Voigt sowie Installationen von Björn Dahlem und Miguel Rothschild zu sehen, mit oftmals kühnen Ausdrucksformen und ohne gefälliges Ornament. Diese Kunst verlangt Kontemplation, erschließt sich nicht auf den ersten Blick und wird bei Publikumsgesprächen oder in der Reihe „Christliche Bildbetrachtung“ mit Kunsthistoriker*innen und Theolog*innen angeregt diskutiert. Kürzlich ging die Ausstellung „Pompa“ von Norbert Bisky mit rund 20.000 Besucherinnen und Besuchern überaus erfolgreich zu Ende. Zurzeit ist der bulgarische Künstler Milko Pavlov mit dem Altarbild „Facies“ in der Passionszeit zu Gast. Und für Mai bis August ist die Ausstellung „In Praise of Light“ der in Berlin lebenden japanischen Künstlerin Leiko Ikemura angekündigt. Deren Skulptur „Schrei“ bereichert seit diesem Jahr die Sammlung der Stiftung, die über 150 Kunstwerke umfasst.
Der Ausblick in die Zukunft gestaltet sich vielversprechend: Die Perspektiven für die Stiftung seien gut, trotz bleibender finanzieller Herausforderungen, sagt Hannes Langbein. 2026 soll das Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum eröffnen, in direkter Nachbarschaft zur St. Matthäus-Kirche, die als Besucherzentrum eingeplant ist und sich dann noch mehr der Aufmerksamkeit gewiss sein kann.