"Hier bleibt's erstmal offen?"

25.03.2020

Suppenküche in der Corona-Krise


Berlin (epd). "Hier bleibt's erstmal offen?" Simon, 45 Jahre alt, steht in der Warteschlange für die Toilette in der Suppenküche der Franziskaner im Berliner Stadtteil Pankow. Er lebt auf der Straße. Sich dort durchzuschlagen, ist seit der Corona-Pandemie schwieriger geworden. Viele Einrichtungen mussten wegen der Abstandsregeln schließen. Schlafen kann er manchmal bei seiner Schwester, erzählt er. Ein Problem bleibt, tagsüber Anlaufstellen für Essen und die Notdurft zu finden. Bernd Backhaus, Leiter der Suppenküche, gibt Simon eine ehrliche Antwort auf die bange Frage: "Solange wir noch dürfen..."

"Suppenküche" ist in Zeiten der Corona-Krise eine irreführendes Wort geworden für die 1991 gegründete Einrichtung der Obdachlosenhilfe. Der Essenssaal ist seit vergangener Woche geschlossen. Statt warmer Suppe gibt es jetzt "Ausgabe von Stullen und Tee" - alles vor der Tür, wo auch die Tische und Bänke weggeräumt wurden, um niemanden zum Verweilen einzuladen. Sie müssten auf den Schutz der Mitarbeiter und der Gäste achten, erklärt Backhaus. Grüne Klebebänder markieren den Abstand in der Warteschlage für die Wurst- und Käsebrote.

200 Menschen kommen normalerweise in die Suppenküche. Backhaus sagt, derzeit seien es rund 120 pro Tag. Viele seien enttäuscht, dass es die leckeren Suppen gerade nicht gibt. "Wir hoffen, dass wir die bald wieder anbieten können", sagt er.

Solange versuchen Engagierte, Obdachlosen auch auf anderem Weg zu helfen. An einem grünen Metallzaun in Berlin-Wedding hängen seit wenigen Tagen Plastiktüten mit Lebensmitteln, Hygienieartikeln, Hundefutter und Kleidung. "Willkommen" steht auf einem Schild, und: "Lieber Mensch* ohne Zuhause. Bitte nimm dir was du dringend brauchst vom Gabenzaun". Andere Schilder rufen zum Mitmachen und weiteren Spenden auf und appellieren: "Nur für obdachlose Menschen!"

In ganz Deutschland entstehen derzeit sogenannte Spenden- oder Gabenzäune für Obdachlose. Die Menschen werden dazu aufgerufen, in Plastiktüten verpackte Spenden an die Zäune zu hängen, damit sich auf der Straße lebende oder arme Menschen dort versorgen können. In den sozialen Netzwerken ist unter den Hashtags #Spendenzaun oder #Gabenzaun nachzulesen, wo es solche Zäune in der Nachbarschaft gibt oder wo welche eingerichtet werden sollen.

Die Idee stammt aus Hamburg, wo schon 2017 in der Nähe des Hauptbahnhofes der erste Gabenzaun als niedrigschwelliges soziales Angebot für Obdachlose eingerichtet wurde. Heute ist der Zaun am Heidi-Kabel-Platz zu finden und wird von dem Verein Hamburger Gabenzaun e.V. betreut. Auch in Berlin-Schöneweide gab es bereits einen Spendenzaun, der wegen Vandalismus 2018 aufgelöst wurde.

Entstanden sind Gaben- oder Spendenzäune in den vergangenen Tagen unter anderem in Bochum, Leipzig, Dresden und Frankfurt. In Berlin zählte der "Tagesspiegel" am Dienstag bereits mehr als 21 Zäune im ganzen Stadtgebiet.

Auch der Eisenzaun vor dem Portal der evangelischen Zionskirche in Berlin-Mitte ist zum Spendenzaun geworden. Initiatorin ist Friederike Bauer, eine 32-jährige aus dem Kiez. Sie sei durch Freunde, die das im Stadtteil Friedrichshain angestoßen haben und durch eine Bloggerin darauf aufmerksam geworden, berichtet sie. Sie habe dann in ihrem Haus und auf dem Nachbarschaftsportal nebenan.de nach Mitstreitern gesucht und sei auf große Bereitschaft zum Mitmachen und Spenden getroffen.

"Die Corona-Krise trifft jeden anders", sagt Bauer. Als Selbstständige mache sie sich natürlich große Sorgen um ihre wirtschaftliche Zukunft: "Aber ich bin privilegiert, habe eine Wohnung und ein Auskommen. Wer auf der Straße leben muss, den trifft es am härtesten. Wir haben doch jetzt alle genug Zeit, uns um diese Menschen zu kümmern."

Nach Überlegungen mit einigen Mitstreitern will Bauer den Spendenzaun von der Zionskirche an den etwa einen Kilometer entfernten Rosenthaler Platz verlegen, wo sich viele Wohnungslose derzeit im U-Bahnhof aufhielten. "Dort werde ich die Gitter am Eingang des U-Bahnhofs zum Spendenzaun machen", sagt Bauer.

Die Pankower Stullen-Ausgabe könnte trotz der Corona-Regeln aber auch weiter ein etablierter Anlaufpunkt in der Krise bleiben. Als Simon auf der Toilette ist, bekommt Leiter Backhaus einen Anruf vom Gesundheitsamt. Das ernste Gesicht des hoch gewachsenen Mannes weicht während des Telefonats einem Lächeln. Die Mitarbeiterin habe sich nur erkundigt, welche Maßnahmen die Einrichtung getroffen hat und an das Verbot des Ausschenkens warmer Speisen erinnert. "Und dann hat sie gesagt, sie findet gut, was wir hier machen", berichtet Backhaus. Damit kann es erst einmal weitergehen.


Von Corinna Buschow und Markus Geiler (epd)

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