„Die Transformation darf nicht auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen werden!“

05.09.2022

Pröpstin Christina-Maria Bammel ist derzeit als Delegierte der EKD auf der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe. Auf der Vollversammlung, die noch bis zum 8. September dauert, treffen sich rund 4000 Christ:innen aus aller Welt

Die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates. Foto: EKBO
Christina-Maria Bammel und Oberkirchenrat Matthias Kreplin in Karlsruhe auf dem Weg zur Vollversammlung des Ökumenischen Rates. Foto: EKBO

Interview: Amet Bick / EKBO

Auf der Vollversammlung des ÖRK sind die Themen Klimawandel und Klimagerechtigkeit zentral. Wie zeigt sich das? 

Die Aufgaben, die sich mit der gegenwärtigen Klimakrise – die ja mehr ist als eine Krise – verbinden, sind auf der Vollversammlung sehr präsent. In den Plenumssitzungen, in den Ökumenischen Gesprächen, wo ich beispielsweise mitarbeite zum Thema „Economy of Life in a time of inequality, climate change and the 4th industrial revolution“, in den Bibelarbeiten. Selbstverständlich auch liturgisch in den zahlreichen Gottesdiensten und Gebetszeiten.

Wie die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Krisenphänomene miteinander verbunden sind, wird unübersehbar, nicht zuletzt in direkten Gesprächen, die überall und immer zwischendurch möglich sind. Mich haben die Schilderungen etwa von Julia Rensberg, Delegierte der Kirche von Schweden, sehr bewegt. Sie vertritt den Samischen Rat innerhalb der schwedischen Kirche. Sie machte deutlich, wie weit im Voraus die Bevölkerungsgruppe der Samen erfahren konnte, welche Veränderungen im Klima vor sich gehen. Das kann man nicht hören und dann einfach zur Tagesordnung übergehen.

Es gibt sehr klare Statements, über die in den kommenden Tagen miteinander beraten wird. Es ist auch ein Ruf nach einem viel effektiveren Klima-Netzwerk und die Aufforderung, die prophetischen Stimmen der jüngeren Generation endlich ernsthaft einzubeziehen. Generalsekretär Saucer hat in seinem Report unterstrichen: „We must make it the greenest assembly ever. We have talked enough; now it is time for action.“ (Wir müssen diese Vollversammlung zu der grünsten machen, die es je gab. Wir haben genug geredet, jetzt ist es Zeit zu handeln.) 

Wird über die Themen diskutiert? Gibt es unterschiedliche Sichtweisen unter den Delegierten? 

Ja, insbesondere die Sichtweisen derjenigen, die so unmittelbar und direkt die Folgen der Verschmutzung, der Erwärmung und der Dürren erleben, brauchen immer wieder ein aufmerksames Forum. Welche immense Anpassung bereits jetzt diejenigen leisten, die global gesehen am wenigsten Anteil an der Erwärmung, an der rapiden Zunahme der Treibhausgase haben! Wer könnte da nicht die Nachdrücklichkeit und Ungeduld verstehen, in der dann die persönlichen Lebensumstände geschildert werden. Im Zusammenhang mit theologisch-ethischen Überlegungen aus Ozeanien fiel der Satz: Hier geht es nicht einfach um eine Änderung des Lebensstils. Die Zerstörung der Öko-Systeme ist ein Echo der Dehumanisierung ganzer Völker. Klimagerechtigkeit ist nur dort erreicht, wo jeder Bauer und jede Bäuerin, wo die indigenen Völker endlich Gerechtigkeit erfahren und eine sichere Lebensgrundlage haben.    

Glauben Sie, dass von der Vollversammlung in Karlsruhe ein klares Signal für mehr Klimaschutz und Klimagerechtigkeit ausgehen wird? 

Es muss benannt werden, was ist: Statt die Gaben der Schöpfung zu segnen, wird die Schöpfung hemmungslos ausgebeutet. Und dabei werden alle Grundsätze von Gerechtigkeit mit den Füßen getreten. Ich hoffe, es gehen wachmachende Signale von Karlsruhe aus. Es muss benannt werden, welche Möglichkeiten wir im noch verbleibenden Zeitfenster haben. Ich setze darauf, dass jetzt konkrete Verabredungen getroffen werden, für die es bei der nächsten Vollversammlung in acht Jahren zu spät sein könnte. Ich setze auf klare Forderungen mit Blick auf Meeres- und Wasserschutz, Pestizide und andere Gifte. Ich setze auf Impulse für eine neue internationale Finanz- und Ökonomie-Architektur. Der Weg zu erneuerbaren Energien, die Umstellung der Lebensweise darf keinesfalls dazu führen, dass diese Transformationen wieder auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen werden. Und ich setze auf die möglichen Wunder dieser Zeit. 

Hintergrund:
Die Vollversammlung ist das höchste Entscheidungsgremium des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und tritt in der Regel alle acht Jahre zusammen. Die 11. Vollversammlung des ÖRK findet nach einer gemeinsamen Einladung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Evangelischen Landeskirche in Baden, der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), der Union der Protestantischen Kirchen von Elsass und Lothringen (UEPAL) und der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz in Karlsruhe (Deutschland) statt. Die letzte ÖRK-Vollversammlung in Europa war die Vollversammlung in Uppsala, Schweden 1968.

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