27.09.2023
Abwanderung und Fachkräftemangel: Mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung kämpft Ostdeutschland mit Überalterung und dem Fehlen einer ganzen Generation. Zugleich steht der Osten aber nicht grundsätzlich schlechter da als der Westen.
33 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die Spuren der Teilung Deutschlands laut dem aktuellen Jahresbericht des Ostbeauftragten noch immer erkennbar. Wie es in dem am Mittwoch in Berlin von Staatsminister Carsten Schneider (SPD) vorgestellten Bericht zur Deutschen Einheit heißt, wurden strukturelle Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland zwar abgebaut oder sind mittlerweile verschwunden. Dennoch gebe es weiterhin Unterschiede.
Der Ostbeauftragte warb dabei für einen differenzierten Blick. Den Osten an sich gebe es nicht mehr, sondern er sei vielfältig, betonte Schneider. Als zentrale Herausforderungen der kommenden Jahre nannte Schneider die demografische Entwicklung in vielen Gebieten Ostdeutschlands und den Fachkräftemangel.
Unterfüttert wird der Bericht von Zahlen des „Deutschland-Monitors“ als umfassender Befragung zu allgemeinen politischen Einstellungen und Haltungen in Ost und West. Ein großes Problem ist laut Mitautor Everhard Holtmann vom Zentrum für Sozialforschung Halle die Überalterung im Osten. Zwischen 1991 und 2021 wanderten demnach rund vier Millionen Ostdeutsche in das frühere Bundesgebiet ab, zumeist junge Erwachsene im Alter zwischen 18 bis 29 Jahren. Lediglich 2,8 Millionen Personen zogen in die umgekehrte Richtung. Hinzu kommt eine geringere Zuwanderung aus dem Ausland in den Osten.
„Eine ganze Generation ist damit praktisch weg“, sagte der Ostbeauftragte. Deshalb sei eine gesteuerte Zuwanderung und eine Rückwanderung der zentrale Punkt, um prosperierende Regionen in Ostdeutschland zu schaffen. „Diese Herausforderung wird von Jahr zu Jahr größer“, sagte Schneider.
Der Anteil der über 65-Jährigen liegt laut dem Bericht in den Städten Ostdeutschlands bei 22 Prozent und in ländlichen Regionen bei 27 Prozent. Der Anteil der Erwerbsfähigen ist in den westdeutschen Städten mit 62 Prozent am höchsten. Auf dem Land sind es 61 Prozent. Im Osten liegt er in ländlichen Regionen mit 57 Prozent deutlich darunter.
Diese Erfahrungen schlagen sich laut Politikprofessor Holtmann auch in einer unterschiedlichen Bewertung der eigenen Lebensverhältnisse in West und Ost nieder. Während in den Dörfern und Kleinstädten des Westens der Fachkräftemangel als das große Problem bewertet wird, ist es im Osten dort die Abwanderung der Jungen.
„Es gibt in der Wahrnehmung der Menschen weiter Ost-West-Unterschiede, aber der Osten steht nicht grundsätzlich schlechter dar“, sagte Holtmann. So werde beispielsweise die Lebensqualität in ostdeutschen Großstädten besser bewertet als in westdeutschen Städten.
Allerdings: Noch immer liegt dem Bericht zufolge das durchschnittliche verfügbare Einkommen eines Privathaushaltes in Ostdeutschland elf Prozent unter dem eines West-Haushaltes. Tatsache sei zudem, dass ein höherer Anteil von Menschen in ländlichen Regionen Ostdeutschlands in einem Umfeld lebt, das von einer stagnierenden oder schrumpfenden Bevölkerung und von einer geringeren Ausstattung mit Einrichtungen und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge geprägt sei.
(epd)