06.04.2020
Landessingwartin Cornelia Ewald leitet Chorproben mit Zoom. Was dafür spricht, erläutert sie im Interview mit ekbo.de
ekbo.de: Sie haben Ihre erste Probe mit dem Videokonferenz-Programm „Zoom“ durchgeführt. Hatten Sie Berührungsängste?
Landessingwartin Cornelia Ewald: Ich habe im Vorfeld verschiedene Systeme und Medien getestet. Zoom machte den besten Eindruck und übertrug ohne störende Unterbrechungen, auch im Land Brandenburg, wo die Übertragungsraten des Internets manchmal doch zu wünschen übrig lassen. In einigen meiner Arbeitsbereiche kenne und nutze ich Telefon- und Videokonferenzen schon länger, daher waren die Ängste eher gering. Sorgen bereiten die bekannten und unbekannten Sicherheitslücken bei Zoom. Wenn man Menschen dazu einlädt, schwingt immer auch ein Risiko mit.
ekbo.de: Und? Funktioniert‘s?
Cornelia Ewald: Die Teilnehmer werden vom Moderator über einen Link eingeladen, müssen also kein Programm installieren. Das ist für die meisten Menschen machbar. Für diejenigen, die Technik erst erobern müssen, biete ich gesonderte Anleitung zu einer anderen Zeit an. Sinnvoll ist es, dass der Moderator zu Beginn der Konferenz allen Teilnehmern die wichtigsten Funktionen erklärt und dafür auch ein bisschen Zeit investiert. So hat es dann tatsächlich funktioniert, dass wir uns alle sehen, hören und sprechen konnten.
ekbo.de: Wie gehen Sie mit den Bedenken in Sachen Datenschutz um?
Cornelia Ewald: Von den Zuständigen im Hause der EKBO erfahre ich, dass an dem Problem gearbeitet wird. Ich persönlich werde Zoom weiter nutzen, auch dienstlich, aber die Mitnutzer über die Risiken aufklären. Allen Risiken kann man natürlich nicht aus dem Weg gehen, doch Zoom hat auf alle Kritikpunkte inzwischen reagiert. Ich habe auch das Aufzeichnen technisch ausgeschaltet.
ekbo.de: Was ist anders bei einer digital vermittelten Probe?
Cornelia Ewald: Die unterschiedlich schnellen Zeiten bei der Übertragung (Latenz) lassen ein zeitgleiches Hörerlebnis nicht zu. Weder hört man sich gegenseitig ausreichend gut, noch habe ich als Chorleiter das gewohnte Klangbild. Die Arbeit am Klang oder Ausdruck ist also nicht möglich. Bei gleichzeitigem Sehen kann aber gemeinsam gesungen und auch geprobt werden.
„Man spürt jetzt besonders, wie wichtig Gemeinschaft ist und um wie viel ärmer unser Leben ohne Singen im Chor ist“
ekbo.de: Was empfehlen Sie Chorleiterinnen, die mit Zoom proben möchten?
Cornelia Ewald: Als Moderator sollte man das System vorher gut ausprobieren und in den Einstellungen bestimmte Funktionen gesondert ein- oder ausstellen. Die Probe muss gut vorbereitet sein, das Konzept den geänderten Bedingungen angepasst werden. Das Einsingen bereitet am wenigsten Probleme, und wurde von den ChorsängerInnen speziell erbeten. Es sind dann eher kleinere Chorsätze möglich, auch bereits Bekanntes kann gesungen werden. Am effektivsten sind Stimmproben, also z.B. nur den Alt oder nur den Bass in die Konferenz einzuladen, um dann mit nur einer Stimmgruppe zu proben, hier kann man auch Einzelne oder kleine Gruppen mal mit offenem Mikrofon singen lassen, um gegeben falls zu korrigieren. Eine Anleitung zur Durchführung der Probe ist in Arbeit.
ekbo.de: Es läuft also nicht alles genauso wie im Probensaal. Anscheinend stehen andere Aspekte als rein sängerische im Vordergrund. Wie kamen Ihre ersten Proben via Internet an?
Cornelia Ewald: Die einhellige Meinung der Teilnehmer an meiner Probe war: unbedingt jede Woche wiederholen! In der abschließenden Feedbackrunde kam deutlich zum Ausdruck, wie sehr man einander schon nach gut zwei Wochen vermisst. Das ging mir persönlich tatsächlich auch so, die vertrauten Gesichter und der belebende Austausch haben mich sehr berührt. Man spürt jetzt besonders, wie wichtig Gemeinschaft ist und um wie viel ärmer unser Leben ohne Singen im Chor ist. Die Sorge, stimmlich nachzulassen, spielte bei vielen eine große Rolle. Die Stimme muss eben wirklich auch trainiert werden und das bereits Erlernte in den Chorwerken darf nicht verloren gehen oder vergessen werden.
ekbo.de: Sie würden also digitale Proben empfehlen, auch wenn der Klangkörper im Raum nicht nachgeahmt werden kann?
Cornelia Ewald: Ja. Die digitale Chorprobe bietet sozialen Kontakt ohne physischen Kontakt; Stimmbildung bei viel Eigenverantwortung des einzelnen Sängers; Auffrischung bereits bekannter Werke und aufzeigen eigener Schwachstellen, da man sich plötzlich allein in seinem Wohnzimmer singen hört und nicht durch die SängerInnen rechts und links neben sich „mitgezogen“ wird und die Möglichkeit, in kleinen Gruppen Neues einzustudieren und vorzubereiten.
ekbo.de: Welche Webseiten, Youtube-Videos u. Ä. empfehlen Sie für die Zeit der Live-Chor-Quarantäne?
Cornelia Ewald: Viele professionelle Musikbetriebe haben Onlinezugänge kostenfrei geschaltet. Wer jetzt unerwartet viel Zeit hat, sollte dies nutzen. Und Youtube ist fast unerschöpflich, es gibt wirklich tolle Aufnahmen. Da stöbere ich speziell nach hochwertig ausgeführter Chormusik, gern englische und skandinavische, die ich als Kirchenmusikerin in Berlin-Lichtenberg den ChorsängerInnen jetzt situationsbezogen in Form einer ausführlich kommentieren Linkliste wöchentlich maile.
ekbo.de: Kann man auch aktiv üben?
Cornelia Ewald: Wer selbst üben möchte: Meine Kollegin aus der Nordkirche hat Videos unter dem Titel „Schöner Singen“ zum Thema Atmung und Stimme auf Youtube eingestellt. Hier kann man fleißig trainieren. Unschlagbar bleibt, wenn die Einsamkeit spürbar wird, die trostreiche Musik von Johann Sebastian Bach. Ich denke sofort an das Zitat: „ich steh hier und singe“ aus der Motette: Jesu, meine Freude:
„Trotz dem alten Drachen,
trotz des Todes Rachen,
trotz der Furcht darzu!
Tobe, Welt, und springe;
ich steh hier und singe
in gar sichrer Ruh!
Gottes Macht hält mich in acht;
Erd und Abgrundt muss verstummen,
ob sie noch so brummen."
Interview: Katharina Körting
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> Die Landessingwartin im Internet
> Einsingen mit Christiane Hrasky, Landeskantorin der Nordkirche, auf Youtube
> Zoom-Leitfaden für Chorproben des Chorverbands Berlin: