Inklusive und gendersensible Sprache in Liturgie und Predigt

Gottesdienst geschlechter*gerecht feiern. Praxishilfen und Materialien für die Vorbereitung. Einleitung

Hintergrund

Der Anlass für die AG Inklusive und geschlechtergerechte Sprache im Gottesdienst der EKBO war die Frauenversammlung am 25.5.2019, die die Landessynode aufforderte, ein Konzept für den Gebrauch von inklusiver und gerechter Sprache in Liturgie und Predigt zu entwickeln (vgl. Auszug aus dem Brief der KL vom 20.9.2019).

Kontext, Theorie und Ziele

In der postsäkularen, globalisierten Gesellschaft, in der friedliches Zusammenleben von Neoliberalismus und lebensfeindlichen Macht- und Körperpolitiken bedroht wird, bedeutet öffentliche religiöse Performanz ein unverzichtbares Potential für das Aufbrechen hierarchisierender essentialisierter, naturalisierter intersektionaler Kategorien wie „Geschlecht“, „Sexualität“, „Race“, „Klasse“, „Körperliche Befähigung“, Religion etc. (Auga, Ulrike, An Epistemology of Religion and Gender. Biopolitics – Performativity – Agency, London, New York: Routledge, 2020). In der Sichtbarkeit, körperlichen Ko-Präsenz und Materialität öffentlicher Gottesdienste manifestiert sich die „offizielle Konsens-Theologie“ einer Gemeinschaft performativ. Es ist gerade hier, wo die Affirmation und das Sichtbarmachen nicht-traditioneller Fürsorgebeziehungen, das Empowerment von Beziehungen, Lebensentwürfen und von Subjektpositionen, die vom Mainstream abweichen, greifbar werden.

Dennoch bleibt die praktisch-theologische und feministisch-liturgische Literatur oft hinter dem Anspruch zurück, erprobte Materialien, Impulse und theoretische Reflexion für die theoretische und praktische Aufnahme queerer und postkolonialer Herausforderungen für die öffentlichen religiösen Praktiken amtlicher wie nicht-amtlicher Gestaltender verfügbar zu machen. An dieser Stelle möchten wir uns mit unserer Webseite einbringen. Das Ziel dieser Webseite ist es zum einen Bausteine von Gottesdienstentwürfen zum Nachfeiern zu sammeln und zum anderen eine Unterstützung und Anleitung für die eigene liturgische Team-Arbeit anzubieten und schließlich auf Publikationen zu verweisen, die die Praxis mit innovativer Theorie zusammenbringt.

Herausforderungen postkolonialer und kritischer geschlechter- und queerer Theorie für den Gottesdienst

Die Webseite soll nicht nur einen nachhaltigen Beitrag zum De-Gendering vorgeblich geschlechtsneutraler Liturgie (gegen Teresa Berger, Gender Differences and the Making of Liturgical Tradition, London: Ashgate, 2011) sondern auch zur Dekolonisation hierarchischer und eurozentristischer Gebetssprache leisten (vgl. Michael Jagessar, Stephen Burns, Christian Worship, Postcolonial Perspectives, Sheffield: Equinox, 2011).

Zu häufig werden in der gegenwärtigen deutschen Debatte und in einschlägigen Publikationen auf Kognition und Verbalsprachlichkeit als „männlich“ wieder eingeschrieben und Körperlichkeit oder Emotion „weiblich“ re-essentialisiert (vgl. Brigitte Enzner-Probst, Frauenliturgien als Performance, Neukirchen: Neukirchner, 2008). 

Die aktuell in der internationalen Debatte aufkommende postkoloniale und queere Kritik geht demgegenüber deutlich weiter hinter die auch unbewussten Re-Essentialisierungen und Reproduktion von Dichotomien und adressiert religiöse epistemologische Tiefenstrukturen, die Körperkonfigurationen, Wissen, Wahrnehmung und Weltwirklichkeit ermöglichen – und dies jenseits neo-liberalen Herrschaftswissens einer heteronormativen Geschlechterordnung.

Im Anschluss an internationale Stimmen wie Marcella Althaus-Reid, Susan Cornwall, Lisa Isherwood, Gerard Loughlin, Teresa Forcades i Vila u.v.a. sowie vielen lokalen Stimmen, die hier zu Wort kommen, verdeutlicht die Webseite, dass Gottesdienst als eine dauerhafte gegen-kulturelle Bewegung grundlegend „queer“, d.h. auf das Hinterfragen normativ-hierarchischer Strukturen ausgelegt ist und das Herstellen von Allianzen glaubender Menschen untereinander und mit Gott* etabliert. Die entwickelten Ansätze zum „Queeren“ des Gottesdienstes bedeuten nicht die privilegierte Herausstellung der „besonderen“ Position von LGBTIQ*-Mitfeiernden, sondern sie suchen vielmehr das performative experimentell-progressive Außer-Kraft-Setzen des unhinterfragt Normierten und möchte dies mit ausführlicher theoretischer gesellschafts- und erkenntniskritischer Reflexion verbinden, die auf feministische und befreiungstheologische Kritik aufbaut und diese weiterführt.

Methodik

Wir laden Sie sehr herzlich dazu ein, ihre eigenen Texte zur Website beizutragen! Bitte senden Sie diese ein an: gottesdienstgeschlechtergerechtdontospamme@gowaway.ekbo.de

Auf der Webseite werden alle Elemente des Gottesdienstes in einzelnen Kategorien abgebildet. Die Verfasser*innen sind namentlich gekennzeichnet. Wir bedanken uns bei allen, die ihre Texte zur Verfügung stellten und sowohl den Abdruck auf dieser Webseite, als auch die Verwendung in weiteren gottesdienstlichen Kontexten genehmigten. Die Texte dürfen – unter Berücksichtigung der Urheberschaft – gerne kreativ und performativ weitergeschrieben und verwendet werden.

Die Webseite wächst ständig an. In jeder Kategorie gibt es einen Beispieltext, der das Anliegen besonders deutlich illustriert. Die Reihenfolge der Texte in den Kategorien ist zufällig. Die jüngst eingestellten Texte sind zuerst sichtbar.

Wir wählten nur Texte aus, die keine binäre Sprache verwenden. Einzelne Texte sind leicht überarbeitet. An einzelnen Stellen gibt es Kommentare zur Überarbeitung.

Anmerkung der Arbeitsgruppe zum Verständnis und Vortrag

Es bestehen viele sprachliche Möglichkeiten, eine Binarität von Geschlecht zu vermeiden, z. B. Menschen, die arbeiten; Sehende, etc.

Wenn der Geschlechter-Stern * verwandt wurde, wird empfohlen diesen durch eine Sprechpause beim Lesen anzuzeigen, z. B. Mystiker*innen, Freund*innen, Theolog*innen.

In diesem Beispiel wird gezeigt, dass die Gruppe „Frauen“ nicht einer einzigen biologischen Gruppe zuzuordnen ist: Frauen*solidarität.

Es wird empfohlen, Anführungszeichen zu setzen, zu denken, und mit „Luftanführungszeichen“ dem Publikum anzuzeigen, um zu zeigen, dass eine Binarität Weiblichkeit und Männlichkeit eine Konstruktion und kein biologischer Befund ist: z. B. Die „weibliche“ Seite Gottes. Besser wäre es, auszudrücken, was ausgesagt werden soll – Begehren, Lieben, Sorgen, Nähren, etc. zu benutzen, um keine stereotypen Zuschreibungen zu wiederholen. Körperliche Vorstellungen zurzeit biblischer Texte waren viel fließender als heute.

Weiblichkeit und Männlichkeit waren zur Zeit der Abfassung der biblischen Texte nicht essentialisiert bzw. naturalisiert vorgestellt. Auch eine Sexualisierung von Körperbildern erfolgte erst in der Moderne.

Ulrike E. Auga                                             
Berlin, den 20.08.2020

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