Forschungsauftrag zur NS-Vergangenheit der Petri-Kirche

22.04.2021

Historiker Manfred Gailus untersucht im Auftrag der Stiftung House of One und der EKBO das Wirken des antisemitischen Geistlichen Walter Hoff

Dort, wo heute das House of One gebaut wird, stand früher die St. Petri Kirche. Copyright: Kuehn Malvezzi / House of OneDort, wo heute das House of One gebaut wird, stand früher die St. Petri Kirche. Copyright: Kuehn Malvezzi / House of One

„Wo das von Juden, Christen und Muslimen gemeinsam geplante House of One auf dem Petriplatz in Berlin entsteht, hat zu NS-Zeiten ein glühender Antisemit, Pfarrer Walter Hoff, von der Kanzel der Petri-Kirche gepredigt. Das evangelische Gotteshaus, auf dessen Fundamenten das mehrreligiöse House of One erwächst, wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und in den 1960er Jahren abgerissen. Es scheint, als ob damit auch die Erinnerung an die nationalsozialistische Vergangenheit der Gemeinde und ihres Pfarrers ausgelöscht war. „Wir wollen mit der langjährigen Tradition des Wegschauens brechen“, sagt Rabbiner Andreas Nachama vom House of One, der auch Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz in Deutschland ist. „Und es mahnt uns, auch heute jeder Form von Antisemitismus und anderem menschenverachtendem Hass entschieden entgegenzutreten.“ 

„Die Vorgeschichte der alten Propstei St. Petri ist Teil des House of One“, sagt Roland Stolte, Theologe und Verwaltungsdirektor der Stiftung House of One. „So, wie baulich das Gebäude sichtbar aus den alten Kirchenfundamenten emporwachsen wird, beziehen wir inhaltlich die 800-jährige Geschichte dieses Ortes und der Menschen, die hier wirkten, in die Grundidee des House of One mit ein. Ein geschichtsloser interreligiöser Dialog wäre substanzlos und naiv. Deshalb muss auch das Wirken von Walter Hoff zum Thema werden.“ 

Marion Gardei, Pfarrerin und Beauftragte für Erinnerungskultur in der EKBO, betont die Verantwortung der Kirche: „Für unsere Glaubwürdigkeit als Kirche ist es wichtig, dass wir uns auch dem Versagen und der Schuld ihrer Amtsträger in der Nazi-Zeit stellen. Der Fall Hoff ist ein Beispiel dafür, wie sich theologischer Antijudaismus zu Hass und Mord steigern kann, aber auch dafür, wie dies von der Kirche in den Nachkriegsjahren verdrängt und verdeckt wurde.“ 

Die Stiftung House of One hat nun gemeinsam mit der EKBO den Historiker Manfred Gailus, der sich als Erster mit dem Fall Hoff wissenschaftlich beschäftigt hat, beauftragt, eine Dokumentation zu erstellen. „Ich freue mich, dass die Stiftung sich dazu entschlossen hat, den Fall Hoff zu bearbeiten“, sagt Gailus. „Indem sich das Projekt dieser Herausforderung stellt, gewinnt es meines Erachtens an Überzeugungskraft.“ Dem Geistlichen hatte Gailus bereits in seinem 2001 erschienenen Buch „Protestantismus und Nationalsozialismus“ ein Kapitel gewidmet. Der Neuzeithistoriker lehrte zuletzt am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität in Berlin. 

Teil von Gailus‘ Auftrag ist die Dokumentation des aktuellen Forschungsstands sowie die genauere Beschäftigung mit der Geschichte der Gemeinde St. Petri und mit dem problematischen Umgang der Kirche mit Pfarrer Hoff in der Nachkriegszeit. Obwohl der Geistliche in einem Brief aus dem Jahr 1943 prahlte, dass er als Offizier in Weißrussland „eine erhebliche Anzahl von Juden, nämlich viele Hunderte, habe liquidieren helfen“, wurde dieser Tatbestand im Rahmen eines Disziplinarverfahrens in den Nachkriegsjahren nicht konsequent verfolgt. Stattdessen wurde er 1957 rehabilitiert. Pfarrer Hoff ist der bislang einzig bekannte Fall eines amtierenden evangelischen Theologen, der nach eigener Aussage aktiv am Holocaust auf den osteuropäischen Kriegsschauplätzen beteiligt war. 

„Deutsche Christen“ für Gleichschaltung in der Kirche

Walter Hoff war 1930 nach Berlin gekommen, zunächst an die Luisen-Gemeinde in Charlottenburg. An seiner nationalsozialistischen Gesinnung ließ er nie einen Zweifel. Bereits 1931 lobte Gauleiter Joseph Goebbels den Pfarrer, der mehrere Gottesdienste für die SA gehalten hatte, als einen der „leider noch wenigen mutigen Geistlichen“. Hoff trat in die NSDAP ein, engagierte sich in der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ für die Gleichschaltung der evangelischen Kirche, war SA-Standartenpfarrer und scheute sich nicht, in Straßenkämpfen gegen Andersgesinnte mitzumischen. Hitlerkritische Pfarrerkollegen der Bekennenden Kirche denunzierte Hoff wiederholt im SS-Organ „Das Schwarze Korps“. 

Als fanatischer Pfarrer der „Deutschen Christen“ war Hoff 1934 zum Konsistorialrat im Konsistorium der Mark Brandenburg berufen worden. Diese Position erlaubte ihm, Glaubensgenossen beim Besetzen von Pfarrstellen zu bevorzugen und Kritiker in den eigenen Reihen energisch zu verfolgen. 1936 trat er seinen Dienst als „Propst von Kölln“ mit Pfarramt in St.Petri an und sollte es bis 1945 bleiben. Es war eine Gemeinde ganz in seinem Sinn, in der die „Deutschen Christen“ bereits 1933 einen Festgottesdienst zum „Führergeburtstag“ zelebriert hatten.

Bischof Christian Stäblein begrüßt den Forschungsauftrag an den renommierten Historiker Manfred Gailus und sagt: „Walter Hoff war ein furchtbarer Antisemit. Sein entsetzliches Wirken geschah an demselben Ort, der in Zukunft für Versöhnung, Frieden und Toleranz stehen wird. Wir können als Christinnen und Christen diese Schuld nicht einfach überbauen. Solange ich Bischof dieser Kirche sein darf, werde ich antijüdischem Gedankengut mit aller Kraft entgegentreten.“ 

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