Interview mit Olaf Ihlefeldt, Friedhofsverwalter des Südwestkirchhof Stahnsdorf zum Volkstrauertag am 17. November 2024

15.11.2024

"Friedhöfe sind die wichtigsten Orte des Gedenkens und der Erinnerung, weil dort unsere Geschichte dokumentiert ist und wir in Gemeinschaft an Gräbern gedenken, diskutieren und für unseren gemeinsamen Kampf gegen Krieg und Gewaltherrschaft und damit für den Frieden einstehen."

Der Südwestkirchhof Stahnsdorf ist ein eindrucksvoller Ort der Erinnerung – besonders am Volkstrauertag wird hier die Geschichte lebendig. Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt erklärt im Interview, wie Tausende Gräber von Kriegstoten und Zivilisten aus beiden Weltkriegen zur Mahnung zum Frieden werden. Am Volkstrauertag versammeln sich Menschen an diesen Gräbern, um über die Schrecken des Krieges zu sprechen, gemeinsam zu musizieren und für Frieden zu beten. Gerade für junge Menschen bietet der Friedhof eine eindringliche Möglichkeit, Geschichte greifbar zu erleben und sich an die Opfer von Gewalt und Krieg zu erinnern.

 

Der Südwestkirchhof ist ein besonderer Ort der Erinnerung – was bedeutet der Volkstrauertag hier, und wie wird diese Tradition lebendig gehalten? 
Olaf Ihlefeldt: Der Südwestkirchhof Stahnsdorf ist sehr beeindruckend geprägt, durch verschiedene Epochen unserer Geschichte. So liegen hier, neben den vielen bedeutenden Berliner Persönlichkeiten, über 4.000 Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft beider Weltkriege begraben, Italiener, Briten und Deutsche. Der Volkstrauertag versteht sich mit Abstand zum Krieg in Deutschland als Tag der Mahnung zum Frieden. Die Tausenden Gräber von Soldaten, Jungen und alten Menschen, welche als Zivilisten den Kriegen zum Opfer gefallen sind, sie sind die Prediger des Friedens. Am Volkstrauertag laden wir alljährlich dazu ein, sich an den Gräbern der Opfer zu versammeln, bewusst den Wahnsinn von Kriegen vor Augen zu halten. Auf dem Südwestkirchhof halten wir keine Schweigemärsche, wir reden an den Gräbern über Krieg und dessen unsägliche Folgen, musizieren im Gedenken an die Toten und beten für alle Menschen, welche in Kriegen Jemanden verloren haben. 

 

Welche Geschichten und Schicksale von Menschen, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, spiegeln die Geschichte und die Mahnung des Volkstrauertags wider? Gibt es Grabstätten, die Sie besonders berühren? 
Olaf Ihlefeldt: Es sind die Geschichten welche immerfort anrühren, wenn man bei dem Schauspieler Joachim Gottschalk weiß, dass er mit Frau und Sohn den Freitod gewählt haben, weil sich dem Regiem des Nationalsozialismus nicht unterwerfen wollten, oder der Großvater, der auf einem alten Grabstein gravieren lies..."In Erinnerung an meine 5 Enkel, die sich dem Vaterland geopfert haben" sowie kleine Steinkreuze auf den Namen von Soldaten graviert sind, von denen der Jüngste 14 Jahre und der Älteste 30 Jahre waren.
 

Warum lohnt es sich für junge Menschen, den Volkstrauertag zum Anlass zu nehmen, den Südwestkirchhof zu besuchen? Was kann ein Friedhof uns heute über Frieden, Erinnerung und Zusammenhalt lehren? 
Olaf Ihlefeldt: Jungen Menschen wird in Schulen unsere Geschichte vermittelt, es werden Kriege thematisiert und deren dramatische Folgen aufgezeigt. Kriegsgräberstätten am Volkstrauertag zu besuchen, macht die Geschichte greifbar und lebendig. Besonders junge Menschen werden beim Anblick von Massengräbern andächtigt und sind ergriffen, wenn sie Lebensdaten von Gleichaltrigen lesen. Friedhöfe sind die wichtigsten Orte des Gedenkens und der Erinnerung, weil dort unsere Geschichte dokumentiert ist und wir in Gemeinschaft an Gräbern gedenken, diskutieren und für unseren gemeinsamen Kampf gegen Krieg und Gewaltherrschaft und damit für den Frieden einstehen.

(Das Interview führte Manuela Schneider, Socialmediabeauftragte der EKBO)
 

 

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