09.08.2023
Jährlich zum Jahrestag des Mauerbaus stellt das Berliner Mauermuseum seine neusten Zahlen zu den damaligen Grenzopfern vor. Ein Schwerpunkt künftiger Recherchen sollen die missglückten Fluchten über die damalige CSSR sein.
Laut dem privaten Mauermuseum am Checkpoint Charlie in Berlin sind an der innerdeutschen Grenze und bei der Flucht über andere Ostblock-Staaten zwischen 1945 und 1989 mindestens 1.922 Menschen gestorben. Zuletzt seien sechs weitere Todesopfer ermittelt worden, sagte Museumsdirektorin Alexandra Hildebrandt am Mittwoch in Berlin. Das 1963 eröffnete Museum veröffentlicht immer zum Jahrestag des Mauerbaus am 13. August 1961 seine neusten Erkenntnisse zu den Grenztoten.
In der Zählung erfasst würden nicht nur die Toten an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze, sondern auch in der Ostsee, an außerdeutschen Grenzen wie in der damaligen Tschechoslowakei (CSSR) oder Ungarn sowie getötete DDR-Soldaten, sowjetische Fahnenflüchtige, Hingerichtete und weitere Tote, betonte die Museumschefin. Unter Experten sind die Zahlen deshalb umstritten. So werden beispielsweise auch Todesopfer an der polnischen Westgrenze zur damaligen DDR in der Museumsstatistik aufgeführt.
Unter den neu ermittelten Opfern sind laut Hildebrandt zwei Westdeutsche, die 1976 im Niemandsland zwischen West- und Ost-Berlin gefunden wurden und die seit 1975 vermisst waren. Aufgelistet wird zudem der Fall eines Dachdeckers, der als Unbeteiligter am 13. August 1987 von einem fahnenflüchtigen DDR-Unteroffizier erschossen wurde, weil dieser Verrat befürchtete.
In einem anderen Fall brachte sich ein DDR-Transportarbeiter nach mehreren vergeblichen Ausreise-Anträgen und einem missglückten Fluchtversuch 1978 im Cottbusser Strafvollzug selbst um. Ein weiteres Opfer ist ein Obermeister der DDR-Transportpolizei, der sich 1976 bei einem Fluchtversuch über die tschechoslowakisch-westdeutsche Grenze selbst erschoss, als er von tschechischen Grenzern festgenommen werden sollte.
Bislang hat das Museum 27 Todesopfer an der dortigen Grenze ermittelt. „Wir gehen aber davon aus, dass es mehr als die bis jetzt bekannte Zahl von Toten an der Westgrenze der CSSR gibt“, sagte Hildebrandt. Allein im Jahr 1988 seien 568 DDR-Bürger durch die Sicherheitsorgane der CSSR wegen eines Fluchtverdachts oder Fluchtversuchs festgenommen und an die Stasi übergeben worden.
Der tschechische Botschafter in Deutschland, Tomas Kafka, kündigte an, dass das „Institut für das Studium totalitärer Regime“ in Prag deshalb mit dem Mauermuseum kooperieren wird. „Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit, die wir annehmen müssen“, sagte der Botschafter. In Tschechien habe man sich bislang kaum mit dem kommunistischen Grenzregime zu Westdeutschland und Österreich beschäftigt: „Das wollen wir ändern.“
Auch bei den bereits ermittelten Grenztoten seien noch nicht alle Details bekannt, sagte Hildebrandt: „Die Recherchen können nicht abgeschlossen werden, solange Unmengen zerrissener Stasi-Akten nicht rekonstruiert werden.“
Die Stiftung Berliner Mauer geht von rund 650 Todesopfern an der innerdeutschen Grenze aus. Diese Zahl beinhalte auch die Menschen, die in der Ostsee zu Tode kamen, heißt es. Mindestens weitere 140 Menschen starben zudem an der Berliner Mauer. Bereits vor dem Bau der Mauer seien zwischen 1948 und 1961 mindestens 39 Menschen an der Berliner Sektorengrenze umgekommen.
(epd)