12.05.2023
Die Zahl der Kirchenmitglieder geht immer weiter zurück, doch das bauliche Erbe bleibt. Manche Kirchen werden kaum oder nicht mehr genutzt, weil vor Ort die Menschen dafür fehlen. Nun sollen Lösungen für den Erhalt der Denkmäler gefunden werden.
Spätromanik, barocke Vorhalle, ein Schachbrettstein: So beschreibt der brandenburgische Denkmalschutz knapp die evangelische Dorfkirche von Ringenwalde bei Neuhardenberg. Die mittelalterliche Feldsteinkirche hat die Jahrhunderte überdauert, auch Krieg und schlechte Zeiten. Doch nun droht ein langer Dornröschenschlaf. Denn es fehlen Geld für nötige Bauarbeiten und Kirchenmitglieder für die Nutzung. Auch an anderen Orten.
Etwa zehn Prozent der rund 1.650 evangelischen Kirchen und Kapellen in Brandenburg würden nur noch unregelmäßig genutzt, sagt der Leiter des Bauamtes der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Frank Röger: „Dies betrifft vor allem Dorfkirchen mit nur noch wenigen Gemeindemitgliedern.“
In Ringenwalde gehören von den knapp 130 Menschen im Ort weniger als 30 der evangelischen Kirche an. „Eine Sanierung der Kirche war bisher nicht möglich“, schreibt die Gemeinde auf ihrer Internetseite: „Zur Zeit ist die Kirche nicht nutzbar.“ Schon in den 90er Jahren habe es dort „aufgrund fehlender Nachfrage kein regelmäßiges Gottesdienstangebot“ mehr gegeben, erzählt Pfarrer Christian Kohler. Der Kirchenraum sei in einem desolaten Zustand gewesen.
Der Gemeindekirchenrat habe zwar von 1999 bis 2004 „nach Kräften versucht, das gottesdienstliche Leben in Ringenwalde zu beleben“, betont der Theologe. Dies sei jedoch nicht gelungen. Auch Bemühungen um Fördermittel zur Sanierung hätten keinen Erfolg gehabt. Die Förderung konzentriere sich auf Kirchen, die als Gottesdienstraum benötigt und genutzt werden. 2010 sei dann noch eine Notsicherung am Turm vorgenommen worden.
Es gebe bereits jetzt eine Vielzahl von Dorfkirchen, die in Regionen liegen, wo auch eine Nachnutzung „aufgrund mangelnder Nachfrage aktuell kaum mehr möglich erscheint“, sagt Röger. Deren Zahl werde sich wegen des Mitgliederrückgangs der evangelischen Kirche in den kommenden Jahren noch deutlich erhöhen. Die wenig oder gar nicht genutzten Kirchen aufzugeben, sei jedoch keine Option. Ziel müsse sein, andere oder zusätzliche Nutzungen zu finden.
Die Stadtkirche in Beelitz, die Schinkelkirche in Schäpe, Dorfkirchen in Altkünkendorf, Gerswalde, Rosenhagen, Ribbeck und anderen Orten werden bereits von den Kommunen mitgenutzt. Weitere Kirchen wurden an Vereine abgegeben oder werden als Veranstaltungs- und Kulturorte genutzt. Einige wurden verkauft. Die Nikolaikirche in Treuenbrietzen ist an die katholische Kirche vermietet, die Schlosskirche von Cottbus ist inzwischen eine Synagoge.
Sollte bei Kirchengebäuden, für die es keinen ausreichenden Bedarf mehr gibt, eine Mit- oder Umnutzung nicht möglich sein und auch eine Abgabe per Erbbaurecht mit Nutzungsvereinbarung scheitern, müsse es um das Sichern der Bausubstanz gehen, sagt Röger. Der Zugang zu den betroffenen Dorfkirchen könnte dann auf lange Zeit verschlossen werden, damit die Denkmäler als Zeugnisse früheren kirchlichen Lebens geschützt bleiben und nicht weiter verfallen. Und vielleicht irgendwann wieder genutzt werden können.
„Das ist immer besser als Abriss“, sagt Landeskonservator Thomas Drachenberg dazu. Zugleich müssten auch dann Wartung und Pflege organisiert werden. Sinnvoller sei, „die vornehmsten und ältesten Gebäude eines Dorfes“ zu nutzen, sagt Brandenburgs oberster Denkmalschützer. Die Kirchen müssten sich jedoch auch stärker für neue Nutzungen öffnen, um wieder sozialer Mittel- und Höhepunkt im Dorf zu werden, als „Dorfgemeinschaftshäuser mit jahrhundertelanger Nutzungsdauer“.
Vor der Frage, nur noch die Bausubstanz zu sichern und auf lange Zeit auf eine Nutzung zu verzichten, steht auch die Dorfkirche in Ringenwalde. Seit einigen Monaten ist sie durch einen Bauzaun abgesperrt. „In Ringenwalde erscheint die Lage gerade wenig hoffnungsvoll“, sagt Drachenberg. Pfarrer Kohler sieht es ähnlich. Es sei nun wichtig, Wege zu finden, „um das, was andere erbaut und für uns erhalten haben, möglichst ohne weiteren Verlust an kommende Generationen weitergeben können“, sagt er: „In der Hoffnung, dass in Zukunft möglich wird, wozu wir uns zur Zeit nicht in der Lage sehen.“
Von Yvonne Jennerjahn (epd)