Thierse: Journalisten sollten Ungewissheit in Politik anerkennen

28.01.2022

Ex-Bundestagspräsident Thierse sieht Kritik nicht als Hauptaufgabe des Journalismus. Gemeinsam mit dem Publizisten Prantl und der evangelischen Theologin Bahr plädiert er eindringlich für sorgfältiges Abwägen und Bemühen um Differenzierung.

Oberursel (epd). Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) beklagt vorschnelle Urteile im Journalismus. Journalisten sollten stärker anerkennen, dass Politiker unter Bedingungen der Ungewissheit zu entscheiden haben, sagte Thierse am Donnerstagabend bei einer Online-Diskussion anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Zeitschrift „Publik-Forum“. Das gelte gerade für Extremsituationen wie derzeit in der Corona-Pandemie.

Rückblickend auf seine politische Arbeit sagte Thierse: „Ich habe gelegentlich gestaunt über die Gewissheit, die viele Journalisten haben, während ich immer etwas ungewisser war.“ Er habe immer daran laboriert, dass in seinem Kopf mehr als eine Meinung Platz habe.

Der Publizist Heribert Prantl beklagte einen Hang zur Überheblichkeit im Journalismus. „Wenn wir gegen den Strom schwimmen, darf niemand erwarten, dass der Strom die Richtung ändert“, sagte Prantl, der mehr als drei Jahrzehnte lang der Redaktion der „Süddeutschen Zeitung“ angehörte, für die er weiterhin als Autor tätig ist. Journalismus sei dazu da, Gespräche und Diskussionen anzustoßen und den Fokus auf wenig beachtete Themen zu lenken. „Wenn das gelingt, bin ich glücklich“, sagte er.

Die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr kritisierte angesichts der Corona-Pandemie Unduldsamkeit in den Medien und gesellschaftlichen Debatten. Sie beobachte eine Sehnsucht danach, „die Dinge klar zu ziehen und einfache Lösungen zu finden“, sagte die evangelische Theologin, die dem Deutschen Ethikrat angehört, und nannte als Beispiel die Auseinandersetzung um eine Corona-Impfpflicht. Es gebe die Neigung, die Impfpflicht zu einer Art Heilszeichen zu entwickeln. Wer kritische Fragen stelle, werde schnell als Impfgegner angefeindet.

Die „Sehnsucht nach Bekenntnissen“ angesichts einer radikalen Ungewissheit wertete Bahr als Ausdruck von Hilflosigkeit. Sie habe in den vergangenen Wochen die Erfahrung gemacht, dass „Differenzierung kaum auszuhalten ist“, auch von Journalisten und Journalistinnen.

Thierse wandte sich gegen die „Dogmatisierung von Kritik als Hauptaufgabe des Journalismus“. In einer „ziemlich zerrissenen Gesellschaft voller Misstrauen“ sei es wichtig, Zynismus in den Medien zu vermeiden und Handlungsmöglichkeiten herauszustellen.

Gegen Schwarzmalerei in den Medien wandte sich auch Prantl. Während der Pandemie hätten Journalisten oftmals ihre Lust am Gräuel ausgelebt. Aus der Fülle der Nachrichten hätten sie versucht, die schlechteste auszuwählen.

Die Zeitschrift „Publik-Forum“ wurde 1972 gegründet. Sie ging aus einer Leserinitiative hervor, nachdem sich die Redaktion und die katholische Deutsche Bischofskonferenz über die Inhalte der Vorgängerpublikation „Publik“ zerstritten hatten. Die alle 14 Tage erscheinende „Publik-Forum“ versteht sich als unabhängige Publikation, die Debatten über Gesellschaft, Kirche, Kultur, Politik, Theologie, Weltanschauung und Religion anstoßen und begleiten will.

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