28.04.2025
Das Wort des Bischofs auf rbb 88,8 von Pröpstin Christina-Maria Bammel
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
der 26. April 1986 war ein regnerischer Samstag, der Himmel voll Wolken. Die Katastrophe kam in Gestalt einer Wolke. Sie brachte keinen Regen, sondern tödliche Strahlung. Radioaktiver Niederschlag ging über Europa nieder. Menschliche Fehleinschätzung hatte im damals sowjetischen Tschernobyl zu einer Havarie geführt, die es in diesem Ausmaß bis dahin nicht gegeben hatte. Ein Atomunfall mit Folgen bis heute. Mehr als zweihunderttausend Menschen mussten ihren Wohnort verlassen. Ganze Dörfer wurden abgerissen, eine Bodenfläche fast sieben Mal so groß wie Berlin wurde vergiftet – auf unbestimmte Zeit zu meiden.
Der Atomunfall wurde zum „Sargnagel der Sowjetunion“, schrieb Michael Gorbatschow viele Jahre später im Rückblick. Über 14 Tage dauerte es damals, bis die Betroffenen von ihm damals in einer Ansprache über das Ausmaß der Katastrophe ins Bild gesetzt wurden. Feuer und Wolke von Tschernobyl haben danach mehreren hunderttausend Menschen den vorzeitigen Tod gebracht. An die Opfer von Tschernobyl erinnern wir heute. Im Osten Deutschlands, wo ich zuhause war, wurde damals verharmlost, gelogen und vertuscht. Als ob eine Wolke der Lüge über das Land kam. Gemeinsam übrigens mit einem plötzlichen Angebot von Gemüse, das im Ausland niemand mehr kaufen wollte.
Es war auch die Zeit, in der sich die Umwelt-Bibliothek nahe der Zionskirche gründete, in einem Keller. Protestpostkarten entstanden. Es gab Eingaben des Friedens- und Umweltkreises von Berliner Gemeinden an den Ministerrat der DDR. Christen wussten, dass sie für ihre Aktionen einen hohen Preis zahlen könnten. Wer damals gegen die Lügen der Zeit aufstand, war mutig, hat sich nicht damit beruhigt, dass es schon nicht so schlimm werden würde. Mich berührt noch immer die verwegene Hoffnung der Wenigen, die damals aktiv wurden. Sie sind für mich das, was die Bibel die Wolke der Zeugen nennt. Gemeint sind damit Menschen, die Gott vertrauen und dabei auch unter schweren Bedingungen die Zukunft im Blick behalten. Die Wolke der Zeugen – das ist keine Wetteransage. Sie steht für eine Gemeinschaft. Die Gemeinschaft derer, die uns etwas voraus haben mit ihrem Mut und ihrem Einsatz gespeist aus Hoffnung. Eine Gemeinschaft des Gottvertrauens. Menschen, die sich leiten zu lassen von einer Kraft, die Angst und Grenzen übersteigt. Daran erinnert uns die Wolke der Zeugen, dass der Glaube trägt – wenn es darauf ankommt, auch bis hinein ins politische Tun. In diesem Glauben können wir Gottes Schöpfung dienen.
Das Wort des Bischofs können Sie auf kirche-im-rbb.de nachhören