11.11.2024
Vertrauensfrage
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
Politik ist eine Frage des Vertrauens. Gilt im Allgemeinen und jetzt auch noch mal im Besonderen. Der Bundeskanzler hat angekündigt, die Vertrauensfrage zu stellen. Nach dem Bruch der Koalition ist das das Mittel. Das Ziel: Einen Weg zu bahnen in chaotischen Zeiten, um so am Ende wieder zu einer Regierung zu kommen, in der nicht ständiges Misstrauen herrscht, sondern miteinander gute Politik gelingt.
Vertrauen ist wichtig für alles Miteinander. Wir kennen das sehr gut auch aus privaten Zusammenhängen. Wenn kein Vertrauen da ist, funktioniert auf Dauer nichts, da können die Dinge so gut abgesprochen sein wie sie wollen. Hinterher hat doch jeder etwas anders oder eben alles missverstanden.
Es braucht also ein Fundament, auf dem alles Aushandeln und Planen, alles Vor- und Nachdenken stattfindet. Dieses Fundament ist gegenseitiges Vertrauen, das gute, sichere Ge-fühl, dass der andere es gut meint und tatsächlich auch das Gelingen der Dinge will – nicht nur den eigenen Erfolg.
Ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Ich habe großes Vertrauen in unsere Demokratie. Gerade jetzt, in der Regierungskrise, bewährt sie sich. Die Schritte des Verfahrens sind genau und gut geregelt. Die auf Zeit verliehene Macht wird in genau dieser Verantwortung ausgeübt. Gerade im Streit bewährt sich Demokratie, denn sie hält ihn aus und zeigt Wege des Umgangs damit.
Auch deshalb ist die Wahl Donald Trumps in Amerika für mich etwas, das mich mit großer Sorge erfüllt. Weil da jemand suggeriert, man könne sich über demokratische Regeln hinwegsetzen, weil man den angeblichen Volkswillen vermeint-lich besser kenne. Das ist Gift für alles Vertrauen und Miteinander.
Es gilt daher mehr denn je leidenschaftlich für Demokratie einzutreten. Sie ist eine Frage des Vertrauens. Glaube übrigens auch. Glaube heißt ja im Grunde vertrauen. Dass ich Gott vertrauen kann und dass er es gut mit mir meint. Auch dass er mir es zutraut, es besser zu machen.
„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann,“ schrieb der Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde.
Stimmt: Die Demokratie, unser Gemeinwesen, lebt von Voraussetzungen, die sie nicht herstellen kann. Dazu gehört Vertrauen. Wir können es nicht machen, aber, wie wir wissen, können wir es verlieren. Darum die Vertrauensfrage. Weil ohne Vertrauen nichts geht.
In der Politik nicht und in unserem Leben nicht. Darum ist gerade jetzt wichtig: Vertrauen, nicht verzagen. Vertrauen schenken, wagen, statt Misstrauen. Gerade jetzt. Jeder von uns kann sich dafür einsetzen, an seinem Ort. Das ist die Voraussetzung für unser Gemeinwesen, ja, keine Frage, für unsere Demokratie. Alles Vertrauenssache sozusagen.