1059 Tage Krieg

24.02.2025

Drei Schicksale zwischen Verlust, Hoffnung und Neubeginn

Drei Jahre oder 1059 Tage – so lange dauert am 24. Februar 2025 der russische Angriffskrieg auf die Ukraine.

An jedem Tag sind Menschen gestorben, verwundet oder verzweifelt. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer haben ihr Land verlassen, um Schutz zu suchen vor Gewalt und Zerstörung.

Wie ergeht es Ihnen hier?

Jedes Schicksal ist individuell. Von drei Begegnungen will ich berichten.

Viktorija kam vor etwa zwei Jahren aus Awdijiwka zu uns. Sie hatte ihr ganzes Leben gearbeitet und für den Ruhestand vorgesorgt. Sie hatte bescheiden gelebt, um jeden Monat etwas zurücklegen zu können.

Schließlich konnte sie sich eine kleine Wohnung in einem Hochhaus kaufen, sie hat viel selbst aufgearbeitet und mit viel Mühe und Fleiß hergerichtet. Auf dem Handy zeigt sie mir Fotos von ihrer Wohnung. Ihre Augen strahlen: „Sieh mal, schön nicht?“ Ich spüre den Stolz über ihr Werk und die Freude darüber, was sie sich erarbeitet hat. Mir fallen die vielen Pflanzen auf, die auf den Regalen und dem kleinen Balkon stehen, mit einem Ausblick auf den Himmel.

Dann drückt sie das Bild weg, legt das Handy auf den Tisch und schaut mich ernst an. Sie zieht einen Schlüssel aus ihrer Tasche und zeigt ihn mir: „Das ist alles, was mir von meiner Wohnung geblieben ist.“

Ich sehe ein kleines Stück Metall. Die passende Tür dazu mit der gesamten Wohnung wurde durch Bomben in Trümmern gelegt. Viktorijas Haus ist unbewohnbar. „Jetzt habe ich nichts mehr“, sagt sie, legt die Hände in den Schoß und schaut zu Boden. Hier arbeitet sie als Putzfrau. Ihre Heimatstadt ist inzwischen weitegehend zerstört und unter russischer Herrschaft. Wo sie hinsoll, weiß sie nicht.

Dmytro kam nach Berlin, als er noch minderjährig war. Seine Heimat ist Krywyj Rih, etwa 60 Kilometer von der derzeitigen Front entfernt. Er ist sicher: „Ich bleibe hier, ich will nicht zurückfahren, weil ungefähr zehn Jahre da nichts zu tun sein wird.“ Mit einem Ende des Krieges rechnet er nicht; und falls es doch zu einem Waffenstillstand kommt, könnten die Kämpfe auch wieder mit noch stärkerer Gewalt ausbrechen. Hinzu kommt die Zerstörung, die Verminung des Landes, die Unsicherheit.

Hier hat er einen geregelten Tagesablauf, ist viel unterwegs und frisch verliebt. Wenn ich ihn treffe, lächelt er und grüßt höflich. „Ich weiß nicht, was ich dort machen sollte nach dem Krieg. Ich fühle mich hier auch ziemlich wohl. Die Menschen sind sehr freundlich, man hat so viel für uns getan.“ Abends sitzt Dmytro am Rechner und lernt Deutsch. Um seine Ausbildung hat er sich selbst gekümmert. „Ich habe jetzt das Angebot, Kaufmann im Einzelhandel bei Edeka zu werden. Es dauert drei Jahre. Das will ich machen, mehr kann ich nicht sagen.“

Ich weiß nicht, ob in der Ukraine noch jemand ist, den er vermisst. Seine Mutter und seine Schwester sind ebenfalls in Berlin. Manche Freunde vielleicht auch. Vielleicht hat er aber auch neue gefunden. Ihm wäre es zuzutrauen: „Ich bin optimistisch, aber nicht immer. Aber meistens schon.“

Ich kenne Menschen, die ihre Lieben noch in der Ukraine haben. Sie hoffen und sehen auf das, was nach dem Krieg kommt. Eine von ihnen ist Elizaveta aus Charkiw. Sie sagt: „Viele Leute wollen zurückkehren. Ich habe mir schon darüber Gedanken gemacht: Ob ich es möchte oder nicht, wir Ukrainer werden arbeiten müssen, was wir nicht gelernt haben, meist außerhalb unserer Fachgebiete.

Wenn es nötig wird, werden wir Steine tragen und unsere Städte wieder aufbauen. Wir müssen die Wirtschaft wieder ankurbeln. Wir werden alles tun, was auch die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg getan haben.

Wir wollen unsere Nation erhalten, und wir wollen, dass sich die Ukraine erholt und aufblüht.“ Hier in Berlin ist sie mit anderen Ukrainerinnen und Ukrainern gut vernetzt. Sie ist tatkräftig, lernt Deutsch und hat eine Arbeit gefunden. Ich bewundere ihre Tüchtigkeit und ihre Zuversicht.

Entschieden blickt sie mich an und sagt: „Das Wichtigste ist, dass wir in Frieden leben. Früher wünschten sich Menschen bei uns zum Geburtstag gegenseitig Wohlstand; heute ist allen klar: das Wichtigste ist es, dass wir am Leben sind.“

Zum Schutz der Persönlichkeit wurden die Namen geändert.

(Text von Carolin Marie Göpfert, Pfarrerin der Markus-Kirchengemeinde in Steglitz)

 

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