"An die Verbrechen erinnern – das ist unsere Aufgabe"

20.01.2022

Gottesdienste und Gedenken zum 80. Jahrestag der Wannsee-Konferenz

"Verbrecherisch, mörderisch, präzedenzlos in der staatlich angeordneten und industriell durchgeführten Art – dafür steht die sogenannte Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942", sagte Landesbischof Christian Stäblein von der Evangelischen Kirche-Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). "Das zu erinnern ist unsere Aufgabe, gerade auch wenn uns die Worte, vom Bruch der Zivilisation zum Einsturz gebracht, zu fehlen scheinen." Die Rückgewinnung der Narrative, die Rückgewinnung der Biografien sei eine der großen Aufgaben, die in Yad Vashem und in vielen anderen Orten geschehe.

Bei der Gedenkveranstaltung der Evangelischen Akademie Berlin zum 80. Jahrestag der Wannsee-Konferenz am Mittwochabend (19. Januar) bezeichente Stäblein die Wannsee-Konferenz als "schreckliches Merkmal der im deutschen Namen geschehenen Ermordung und Vernichtung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden. Es war weder die Folge blinder Emotionen, noch das Geschehen heimlicher oder verheimlichter Kriegsverbrechen oder deren Folge; es war ein industriell durchgeführter, staatlich angeordneter und auf den Wegen der modernen staatlichen Organisation vollzogener Mord von Millionen Menschen." Die Wannsee-Konferenz stehe für das verbrecherische, staatlich angeordnete und industriell durchgeführte Vorgehen beim Massenmord.

Zum 80. Jahrestag der Wannseekonferenz fand am 19. Januar eine Gedenkveranstaltung in der Französischen Friedrichstadtkirche (Französischer Dom) in Berlin-Mitte statt. Es sprachen die Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt, und Bischof Christian Stäblein von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO).

Die Gedenkveranstaltung fand auf Englisch im Rahmen der internationalen Fachkonferenz „The contemporary church and antisemitism today“ statt, die die Evangelische Akademie zu Berlin mit der European Coalition for Israel zum 80. Jahrestag der Wannseekonferenz veranstaltete. Die Gedenkveranstaltung in der Französischen Friedrichstadtkirche wurde am Mittwoch, dem 19. Januar 2022, von 19 bis 20 Uhr im Livestream übertragen.

Am 20. Januar 1942 kamen 15 hochrangige Vertreter von NS-Regierung und SS-Behörden in einer Villa am Großen Wannsee zusammen, um den begonnenen Holocaust an den Juden im Detail zu organisieren. Heute ist in dieser Villa die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz untergebracht. Vom 19. bis 21. Januar 2022 findet dort die interdisziplinäre Tagung „20. Januar 1942. Was bleibt? Die Besprechung am Wannsee in Geschichte und Gegenwart“ statt. Sie wird von der Alfred Landecker Foundation und dem Haus der Wannsee-Konferenz ausgerichtet und thematisiert die Relevanz der Wannsee-Konferenz für die Geschichte und das heutige Bewusstsein über die Shoah.

Auch die evangelische Erinnerungskultur fragt nach der Vergangenheit, um daraus Orientierung für Gegenwart und Zukunft zu gewinnen. Sie wirkt über die Grenzen von Gemeinden in die Gesellschaft hinein. „Das ist sozusagen das Plus, das wir als Kirche in die Gesellschaft einbringen: Eine angemessene Spiritualität für die Erinnerungskultur zu entwickeln – auch an Orten der Verletzung“, sagt Marion Gardei, Beauftragte für Erinnerungskultur in der EKBO.

Am Sonntag, dem 23. Januar 2022, findet zum 80. Jahrestag der Wannsee-Konferenz um 14 Uhr ein interreligiöser Gedenkgottesdienst in der Andreaskirche am Wannsee statt, mit Pfarrerin Marion Gardei, Rabbiner Andreas Nachama, Kantorin Esther Hirsch und Pfarrer Lutz Nehk (Lindenstraße 2, 14109 Berlin).

Am kommenden Wochenende beginnt in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin-Charlottenburg ein neues Gottesdienstformat: Pfarrerin Kathrin Oxen und Pfarrerin Marion Gardei laden fortan an jedem 4. Sonntag im Monat um 18 Uhr zum Gedächtnis-Gottesdienst ein.

Hintergrund
Die Wannsee-Konferenz von führenden Vertretern verschiedener Ministerien, von Partei und Terrorapparat vom 20. Januar 1942 steht für die arbeitsteilige Zusammenarbeit beim Massenmord an den europäischen Juden. Einziger Tagesordnungspunkt der etwa anderthalb Stunden dauernden Zusammenkunft waren organisatorische Fragen zur sogenannten „Endlösung der Judenfrage“. Zu diesem Zeitpunkt war das Schicksal der Juden in Europa bereits besiegelt: Mehrere Hunderttausend waren schon seit Sommer 1941 bei Massenerschießungen in Ostpolen und in der besetzten Sowjetunion gestorben.

(mit epd)

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