14.10.2022
Bischof Christian Stäblein übernimmt das Amt des Dechanten des evangelischen Domstifts in Brandenburg an der Havel und leitet künftig das Aufsichtsgremium des Doms. Am Sonntag wird der Festgottesdienst zur Amtsübergabe von Altbischof Wolfgang Huber an Stäblein im Dom gefeiert. Es sei ihm wichtig, dass das Domstift auch die Zukunft mitgestaltet und in die Gesellschaft hineinwirkt, sagte Stäblein dem Evangelischen Pressedienst (epd).
epd: Sie übernehmen am Sonntag das Amt des Dechanten am Domstift Brandenburg. Was für Aufgaben kommen auf Sie zu?
Christian Stäblein: Hier müssen wir unterscheiden zwischen dem Kapitel und mir. Das Kapitel begleitet den Kurator bei der Leitung des Domstifts. Das ist ein laufender Prozess. Die Abstimmung zwischen Aufsichtsorgan und Leitung erfolgt nach meinem Eindruck sehr gut, vertrauensvoll und engmaschig. Was mich betrifft: Ich komme neu dazu, habe bislang das Domstift aus der Warte erst des Propstes, dann des Bischofs wahrgenommen. Die Rolle des Dechanten ist eine andere.
Ich werde deshalb zuerst einmal zuhören, um zu verstehen, welche Themen gerade virulent sind, wer die handelnden Personen sind, welche Prozesse es gibt und so weiter. Aber natürlich auch, wo das Domstift inhaltlich steht, welche Schritte in der Umsetzung seines Leitbildes und der Erfüllung seines satzungsmäßigen Auftrages noch ausstehen.
Mir ist wichtig, dass eine Institution wie das Domstift neben der Bewahrung der Geschichte, die immer auch eine Geschichte des Landes und unserer Kirche ist, auch die Zukunft mitgestaltet, dabei in die Gesellschaft hineinwirkt. Das betrifft sowohl das Domstift insgesamt als auch das Domkapitel und nicht zuletzt das Zusammenwirken von Evangelischer Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und Domstift. Nach meinem Eindruck ist das Domstift dabei bereits auf einem sehr guten Weg.
epd: Sie sind der dritte Domdechant nach dem Zweiten Weltkrieg und folgen im Amt auf die Bischöfe Albrecht Schönherr und Wolfgang Huber. Was haben Sie vor?
Stäblein: Ich bin mir der mir übertragenen Ehre und Aufgabe bewusst, ich freue mich, Bischof Schönherr und Bischof Huber im Amt folgen zu dürfen. Die Wahl zum Dechanten ist zugleich natürlich Verpflichtung, den eigenen Weg mit dem Domstift und für den Dom zu finden, der nun dran ist.
epd: Wo stehen Dom und Domstift derzeit bei Bauvorhaben und Sanierungen?
Stäblein: In den letzten 30 Jahren wurde enorm viel geleistet. Der Dom, ein Großteil der Klausur und die meisten Kurien wurden saniert. Dafür bin ich sehr dankbar. Wir haben allerdings noch ein sehr großes Bauvorhaben vor uns: Die Sanierung der Spiegelburg und der Ostklausur. Nach dem Dom ist die Spiegelburg das älteste Gebäude auf dem Burghof. In ihr wird künftig wieder das Domstiftsarchiv aufbewahrt und den Forschenden zugänglich gemacht werden. Es ist das bei Weitem älteste Archiv des Landes Brandenburg, das seit der Gründung des damaligen Bistums Brandenburg durch Otto I. kontinuierlich geführt wurde.
In dem Ostflügel der alten Klausur, also zwischen Dom und Spiegelburg, wird das Dommuseum wieder seinen Platz finden, das künftig neben Sonderausstellungen eine große Dauerausstellung zeigen wird. Die Bauarbeiten sollen im nächsten Jahr beginnen, zuerst die Spiegelburg, anschließend die Ostklausur. Für letztere steht die Finanzierung allerdings noch nicht.
Neben diesem großen Bauvorhaben gibt es kleinere, die aber häufig wegen der geschichtsbedingten statischen Probleme selten weniger anspruchsvoll sind. Hierzu gehört beispielsweise das kleine Haus Burghof 1, direkt neben unserem Restaurant „Remise“. Schließlich sind auch an den bereits sanierten Gebäuden, einschließlich des Doms, immer wieder Bauarbeiten auszuführen, innen wie außen, große wie kleine. Auch der Brandenburger Dom samt der zugehörigen Gebäude ist eben „eine permanente Baustelle“.
epd: Wie geht es mit der umstrittenen antijüdischen Schmähplastik weiter, der sogenannten „Judensau“ im Kreuzgang außerhalb des Doms?
Stäblein: Unsere Beauftragte für Erinnerungskultur in der Landeskirche, Pfarrerin Marion Gardei, hat bereits vor anderthalb Jahren eine Fachgruppe ins Leben gerufen, die die Geschichte der antijüdischen Schmähplastik im Kreuzgang des Brandenburger Doms intensiv erforscht und aufarbeitet. Das ist die Grundvoraussetzung für das weitere Handeln. Mitglied dieser Fachgruppe ist unter anderem Professor Doktor Andreas Nachama, Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz und Rabbiner der Synagoge Sukkat Schalom der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.
Außerdem wird demnächst ein Buch von Theresa Jeroch veröffentlicht werden. Sie hat sich als studierte Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kolleg-Forschergruppe „BildEvidenz“ ausgiebig mit den Forschungsschwerpunkten mittelalterliche Bild- und Architekturgeschichte beschäftigt. Dazu gehört auch die kritische historische Aufarbeitung der Schmähplastik im Kreuzgang des Brandenburger Doms.
Nicht zuletzt wurde das Museum für Besucherinnen und Besucher um den Kreuzgang erweitert, sodass es jetzt die Schmähplastik und eine eigens dafür neu aufgesetzte Beschriftung mit einschließt. Sie gehört damit zum museumspädagogischen Teil dazu. Die furchtbare antijüdische Tradition wird somit weder in falscher Weise verschwiegen noch bleibt sie unaufgearbeitet oder gar unkommentiert.
epd: Die Leitungsämter für Dommuseum und Domstiftsarchiv sind teils schon länger vakant. Wann werden sie neu besetzt - und warum dauert das so lange?
Stäblein: Das ist nur teilweise richtig. Das Kapitel hat vor einigen Jahren das Dommuseum und das Domstiftsarchiv zu einem Bereich, dem Domschatz, zusammengelegt und unter eine einheitliche Leitung gestellt. Diese Position war bis Ende Juni 2022 kontinuierlich besetzt, bis der Amtsinhaber sich entschied, wieder in seine alte Heimat zurückzuziehen. Im Rahmen einer sowieso geplanten Reorganisation wird diese Stelle wieder besetzt. Bis dahin wird es eine Interimsleitung geben.
epd: Werden Sie jetzt auch häufiger im Dom zu Brandenburg predigen?
Stäblein: Das ist natürlich ein besonders schöner Aspekt meiner neuen Aufgabe als Dechant, dass ich hoffentlich häufiger hier predigen darf und werde. Als Erstes bleibe ich aber natürlich Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und werde weiterhin in allen Gemeinden unserer Kirche zum Gottesdiensten einladen.