Ehemalige Vertragsarbeitende erinnern an die Friedliche Revolution 1989

08.10.2022

Am 9. Oktober um 18 Uhr in der Gethsemanekirche. Gespräche um 19 Uhr

Chemnitz, Gastarbeiter bei der Kommunalwahl. Foto: Bundesarchiv_Bild_183-1989-0507-020

Die Tage vom 7. bis 9. Oktober haben für die Gethsemanekirche und ihre Gemeinde eine besondere Bedeutung in der Erinnerung an die Friedliche Revolution 1989. In diesem Jahr soll am 9. Oktober darüber gesprochen werden, wie es in dieser Zeit und danach den sogenannten Vertragsarbeitenden aus Vietnam, Mosambik, Angola, Kuba und vielen anderen sozialistischen Ländern ging. Die Gemeinde lädt herzlich ein zur gemeinsamen Andacht um 18 Uhr, ab 19 Uhr dann das Gespräch mit ehemaligen Vertragsarbeitenden, gemeinsam mit Almut Berger, der ehemaligen Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg.

Seit Anfang Oktober 1989 versammelten sich täglich Menschen in der Gethsemanekirche. Sie hielten Mahnwache für politisch inhaftierte Freunde, die sich für Rede-, Reise- und Versammlungsfreiheit eingesetzt hatten. Sie forderten ihre Freilassung. Eine Fastenaktion in der Kirche setzte ein Zeichen gegen das Gefühl der Ohnmacht. Das Neue Forum sammelte Unterschriften. Täglich kamen mehr Menschen in die Kirche, tauschten Informationen aus, schwiegen und beteten gemeinsam. Staatssicherheit und Polizei überwachten das Geschehen und reagierten in den Nächten 7. und 8. Oktober mit Gewalt und Verhaftungen.

Die friedlich Protestierenden von damals mussten fürchten, dass die Regierung die Proteste im ganzen Land blutig niederschlagen würde (»Chinesische Lösung«). Nach dem Wochenende des 7. und 8. Oktober schauten alle nach Leipzig, wo sich die Anzahl demonstrierender Bürger seit Anfang September von Montag zu Montag verdoppelt hatte, und Gerüchte die Runde machten, dass die Staatsmacht am 9. Oktober mit Waffen zuschlagen würde.

Der drohenden Gewalt zum Trotz waren viele Bürger entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Nach der Polizeigewalt des Wochenendes einte eine immense Wut, Angst und Anspannung auch die Menschen, die sich in der Gethsemanekirche versammelte. Um 18:35 Uhr traf die erlösende Nachricht ein: »In Leipzig wurde nicht geschossen!« Als die Menschen an diesem Abend die Gethsemanekirche verließen, gab es keine Straßensperren mehr, Polizei und Staatssicherheit blieben friedlich. In Leipzig hatten über 70.000 Menschen demonstriert. Eine für die Verhältnisse der damaligen DDR unvorstellbar hohe Zahl.

In diesem Jahr will die Gemeinde am 9. Oktober darüber sprechen, wie es in dieser Zeit und danach den sogenannten Vertragsarbeitenden aus Vietnam, Mosambik, Angola, Kuba und vielen anderen sozialistischen Ländern ging. Ihre Arbeitskraft war in den Betrieben der DDR dringend gebraucht, aber ihr Leben in der DDR war von Isolierung und Marginalisierung geprägt. Wie erlebten sie die Friedliche Revolution? Waren sie an Protesten beteiligt? Wie reagierten ihre Herkunftsländer? Wie ging das Leben für sie nach 1989 weiter?

Daten:
11 Uhr Gottesdienst
18 Uhr gemeinsame Andacht
19 Uhr Gespräch mit Justino Salvador Chana, ehemaliger Vertragsarbeiter, und Almut Berger, Ausländerbeauftragte Land Brandenburg a. D.

Ort: Gethsemanekirche/Winterkirche

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