„Eine Gemeinde ohne Körperschaftsstatus bleibt eine Gemeinde“

12.11.2021

Synode hat über Mindestmitgliederzahlgesetz diskutiert

Die dritte Tagung der Fünften Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) hat am Freitagvormittag über die geplante Mindestgröße für Kirchengemeinden beraten. Ein Antrag der Kirchenleitung sieht vor, Gemeinden mit weniger als 300 Mitgliedern zu größeren Verbünden zu vereinen. Man erwartet dadurch geringeren Verwaltungsaufwand und sinkende Kosten. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, verlören Gemeinden mit weniger Mitgliedern ihren Status als Körperschaft öffentlichen Rechts. Das beträfe über 600 der gut 1.100 Kirchengemeinden insbesondere in Brandenburg.

Christina-Maria Bammel, Pröpstin der EKBO, warb für die Gesetzesänderung: „Eine Gemeinde ohne eigenen Körperschaftsstatus bleibt Gemeinde!“ Eine Gemeinde hänge nicht an der Zahl. Nicht jede Kompetenz sei in jedem Dorf gleich gut vertreten, und mit der Gesetzesänderung gebe es „mehr Raum für Neues, das wir probieren können“. Dabei gehe es nicht nur um aktuelle Vorteile, sondern auch darum, über das Jetzt hinaus die Gemeinde von morgen zu denken und zu ermöglichen. Mit gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Klimawandel gebe es genug zu tun. „Wir müssen jetzt handeln, bevor uns morgen die Luft ausgeht.“ Über Ausnahmen ließe sich diskutieren.

Mehrere Wortbeiträge äußerten sich zustimmend, ablehnend oder unentschieden. „Mich macht es nachdenklich, dass so viele kleine Gemeinden so viel Energie aufgewendet haben für Änderungsanträge“, sagte etwa die Cottbuser Synodale Katharina Köhler. Sie plädierte für eine „Erprobungsphase“ der neuen Regelung.

Pfarrer Andreas Bertram (Görlitz) sprach sich für Ausnahmen aus. Ihn mache betroffen, „von oben herab“ behandelt zu werden. „Die Leute wollen die Körperschaft öffentlichen Rechts behalten“, erklärte er, „sie wollen sich um den Kirchwald kümmern“. Oft seien Handwerker und Bauern seit Generationen gemeindlich engagiert. Die Beibehaltung des Körperschaftsstatus sei  auch „ein politisches Zeichen für die Selbstverantwortung“.

Frank Schürer-Behrmann vom Kirchenkreis Oderland-Spree verwahrte sich gegen die Suggestion eines „Oben“ und „Unten“.

Ulrich Lampe aus Potsdam wünschte sich Details zum Vorgehen.  „Gemeinden, die weniger als 300 Mitglieder haben, werden vereinigt“, stehe im Gesetzesantrag. Der Passiv vermeidet die Konkretion: „Wer ist hier der Akteur? Wie kann ich mir das vorstellen?“

Reinhard Zöllner aus dem Kirchenkreis Spandau erinnerte daran, dass es nicht darum gehe, Gemeinden aufzulösen. Gemeinden seien „Hauptträger kirchlichen Selbstverständnisses. Daran wird das Gesetz nichts ändern, wenn man es richtig anwendet.“ Um das Heimatgefühl zu erhalten, gelte es, „Formen zu finden und daran zu arbeiten – unabhängig von der Rechtsform. Das ist eine spannende Aufgabe." Auch ohne Körperschaftsstatus würden die Menschen vor Ort engagiert bleiben, in Kirche, Friedhofspflege, bei Feiern und Festen.

Michael Häusler aus dem Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf verwies auf die Unterschiede in Stadt und Land. „Das Gesetz betrifft vor allem die ländliche Region.“ Er habe „noch nicht das richtige Gefühl dafür, wie mit den sehr heftigen Protesten umzugehen ist“ und wünsche sich für seine Entscheidung Äußerungen und Einschätzungen, was nach der Verabschiedung des Gesetzes in den kleinen protestierenden Gemeinden geschieht: „Gegen einen solchen massiven Widerstand kann man das doch wohl kaum durchdrücken, ohne großen Schaden anzurichten?“

Pfarrer Thomas Berg hielt die Gegenrede. Die Proteste von „Mikrogemeinden“ hätten auch das Ziel, „Kungelrunden“ abzusichern, die etwa über kirchliches Pachtland entschieden. Neue Entscheidungsstrukturen könnten auch positive Auswirkungen haben, etwa wenn eine (dann größere) Körperschaft ihr Land nicht mehr an die „Alt-LPG“ verpachte, die nicht ökologisch wirtschafte, sondern an einen Öko-Betrieb.

Der Potsdamer Generalsuperintendent Kristóf Bálint fand die Diskussion hilfreich und notwendig – und plädierte dafür, das Gemeindestrukturgesetz umzubenennen in „Körperschaftsstrukturgesetz“, um die Eigenständigkeit von Gemeinden ohne diesen Rechtsstatus zu markieren. Für das Gesetz spreche auch die Personalsituation: Größere Gemeinden könnten für Pfarrer insbesondere in ländlichen Regionen attraktiver sein.

Das Mindestmitgliederzahlgesetz und die Änderungsanträge wurden in die Ausschüsse zur Beratung überwiesen. Eine Abstimmung im Plenum ist für Sonnabend zu erwarten.

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