30.01.2022
EKBO-Erinnerungsbeauftragte Marion Gardei plädiert dafür, die Einwände von Gedenkstätte, Zentralrat der Juden und Kirche zu berücksichtigen
Im Streit über einen neuen Straßennamen in der Nähe der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen hat die Erinnerungsbeauftragte der evangelischen Landeskirche dazu aufgerufen, von den Plänen Abstand zu nehmen. Die Benennung einer Straße nach Gisela Gneist in dem neuen Oranienburger Wohngebiet auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenkommandos „Zeppelin“ sei „eine unnötige Provokation und sollte von den Stadtverordneten neu erwogen werden“, sagte Marion Gardei, Erinnerungsbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Samstag.
„Es wäre ein gutes Zeichen in die Gesellschaft, die Einwände zu beachten, die von Seiten der Gedenkstätte, vom Zentralrat der Juden und der Kirche geäußert wurden, und diese Namensgebung zu korrigieren“, sagte Gardei: „Denn wie auch vom Sachsenhausen-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland erklärt wurde, steht dieser Ort im engen historischen Kontext mit dem Konzentrationslager Sachsenhausen, Häftlinge leisteten hier zwischen 1942 und 1945 Zwangsarbeit.“
„Hier sollte ein anderer Name für eine Straßenbenennung gewählt werden, der nicht mit dem Schicksal der Internierten im ehemaligen sowjetischen Speziallager Sachsenhausen nach 1945 verknüpft ist“, sagte Gardei. Vor einigen Tagen hatte auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, einen Verzicht auf den bislang geplanten Namen gefordert. Alle Beteiligten sollten offen und sachlich über alternative Namensgeber diskutieren, anstatt eine „sehr umstrittene Persönlichkeit wie Gisela Gneist als Namensgeberin zu wählen“, betonte Schuster.
Gisela Gneist (1930-2007) war nach Kriegsende von 1946 bis 1950 im sowjetischen Speziallager Sachsenhausen inhaftiert, das in dem vorherigen NS-Konzentrationslager in Oranienburg betrieben wurde. Einem historischen Gutachten zufolge soll sie später Historikern und Gedenkstättenleitern „in polemisch-konfrontativer Weise“ begegnet sein, „teils versetzt mit antisemitischen Untertönen und persönlichen Diffamierungen“. Gleichzeitig habe sie keine Berührungsängste gegenüber rechtsextremen Positionen gezeigt, hieß es.
Die Straßenbenennung in einem Neubaugebiet auf einem früheren Areal des KZ Sachsenhausen wurde 2020 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Dagegen hatten unter anderem die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und das Internationale Sachsenhausen Komitee protestiert. Im Februar soll das Thema erneut auf die Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung kommen.
(epd)