Interview: Posaunendienst in der EKBO ruft zum Friedensgebet auf

12.01.2023

Jeden Donnerstag um 17 Uhr vor der Russischen Botschaft

Der Posaunendienst in der EKBO hat zu Beginn des Ukrainekrieges zum Friedensgebet vor der Russischen Botschaft aufgerufen. Seit dem versammeln sich jeden Donnerstag um 17 Uhr zahlreiche Bläser:innen vor der Russischen Botschaft.

Mit der Musik und den gemeinsamen Gebeten wird ein sichtbares Zeichen gegen Gewalt und gegen das Unrecht gesetzt.

Bianca Krüger, Mitarbeiterin der Öffentlichkeitsarbeit der EKBO hat mit Christian Syperek (Geschäftsführender Landesposaunenwart für den Sprengel Potsdam und Geschäftsführung des Posaunendienstes), Tobias Richtsteig (Kreisposaunenwart im Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte) und Rüdiger Schreckert (Kreisposaunenwart aus dem Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf) gesprochen.

Bianca Krüger: Wie kamen Sie zu dieser Idee und was hat Sie dazu veranlasst?

Rüdiger Schreckert: Die Idee kam von Tobias Richsteig, der die Posaunenchöre zur Ukrainischen Botschaft mit dem Beginn des Krieges eingeladen hat. Seitdem treffen sich Bläser:innen vor der russischen Botschaft zum Friedensgebet. Es hat sich ein "fester Kern" herausgebildet der sich jeden Donnerstag um 17 Uhr trifft, und das bei jedem Wetter. Tobias ist es auch, der die Noten bereitstellt und immer wieder einlädt und motiviert, nicht müde zu werden, weiter Musik zu machen. Ich versuche ihn dabei zu unterstützen, weil ich es als wichtiges Zeichen der Solidarität mit der ukranischen Bevölkerung sehe. Ich habe Kontakte in die Ukraine, und wenn ich von unseren Aktionen berichte, merke ich, wie dankbar die Menschen sind, dass wir sie nicht vergessen, sondern weiterhin Anteil nehmen an ihrem Schicksal.

Tobias Richtsteig: Als Anfang März auch in unserer Gemeinde Flüchtlinge ankamen, war das ein Schock für mich. Der Krieg aus den Nachrichten war real. Dann saßen wir als Bläser zusammen und spielten neue Noten zu dem alten Kirchen-Hymnus 'Verleih uns Frieden gnädiglich'. Und jemand hatte die Idee: „das müssen wir vor der russischen Botschaft spielen!“ Das erste Mal spielten wir Mitte März an der Ukrainischen Botschaft, weil Unter den Linden noch die große Demonstration war und uns die Polizei davon abriet. Aber ein paar Tage später waren wir an der russischen Botschaft, gleich neben dem 'Freedom Square', der Gedenkstätte der Ukrainer mit Blumen, Kerzen, Teddybären... Das war sehr bewegend. Und wir beschlossen, wieder zu kommen.  

Christian Syperek: Die erste Idee zu einem Friedensgebet mit Bläser:innen vor der russischen Botschaft entstand in der ersten Tagen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine Ende Februar 2022. Das erste Friedensgebet wurde damals nach einigen Diskussionen aufgrund der schwierigen Sicherheitslage vor der ukrainischen Botschaft abgehalten. In den folgenden Wochen verabredeten sich dann Woche für Woche kleinere Bläsergruppen (meist zwischen vier und zehn Personen) zu musikalischen Friedensgebeten auf dem Mittelstreifen Unter den Linden vor der russischen Botschaft, jeweils donnerstags um 17 Uhr. Diese wöchentlichen Aktionen wurden das ganze Jahr über fortgesetzt, die Organisation hat dankenswerterweise Kreisposaunenwart Tobias Richtsteig (Kirchenkreis Stadtmitte) in die Hand genommen. Wir hauptamtlichen Vertreter des Posaunendienstes waren hin und wieder mit dabei, die Regelmäßigkeit entstand aber aus ehrenamtlichem Engagement.

 

Bianca Krüger: Was genau machen Sie?

Rüdiger Schreckert: Ich bin der festen Überzeugung, dass Musik die Herzen der Menschen öffnen kann, vielleicht mehr als Worte. Passanten halten inne, manche versuchen mitzusingen, hören zu, andere spenden etwas. Vor kurzem kam ein junge Frau auf mich zu, die in einer der umliegenden Büros arbeitet und hat sich bedankt, für einen Augenblick der Besinnung. Und das machen wir: Menschen vielleicht einen Augenblick zu Nachdenken zu bringen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. 

Tobias Richtsteig: Wir treffen uns, und spielen ein paar Lieder und Choräle. Manchmal sind Geistliche dabei, die ein Gebet sprechen, einen Denkanstoß geben. Aber wir verstehen auch unsere Musik als Möglichkeit zum Beten. Und das tun wir und laden damit auch zum Nachdenken und beten ein. Und wir sammeln Spenden, die wir an die Katastrophenhilfe der Diakonie weiterleiten, da sind mehrere hundert Euro schon zusammengekommen, die in der Ukraine und den Aufnahmelagern in den Zufluchtsländern eingesetzt werden.

Christian Syperek: Bei den Friedensgebeten werden vor allem Friedenslieder und einige ukrainische Lieder gespielt. In der Regel erklingt zum Abschluss die ukrainische Hymne, als Zeichen der Solidarität. In der Advents- und Weihnachtszeit standen auch Advents- und Weihnachtslieder mit auf dem Programm. Lesungen und gemeinsame Gebete waren oft Teil der Friedensgebete, manchmal wurde auch ausschließlich mit musikalischen Mitteln gebetet.

 

Bianca Krüger: Was ist das Ziel Ihrer Aktion?

Rüdiger Schreckert: Die Evangelische Kirche hat ein einzigartiges  „Instrument", die Posaunenchöre, in der Öffentlichkeit Präsenz zu zeigen. Menschen zu erreichen, gerade auch Kirchenfremde. Mitten unter den Menschen zu sein, auch im pulsierenden Großstadtbetrieb. Dabei sehe ich mich auch als Repräsentant einer Kirche, der das Schicksal der Menschen in der Ukraine nicht gleichgültig ist. Und das wird wahrgenommen. Die grosse Dankbarkeit, der Familie, die an dem Friedensgebet teilgenommen hat, bestärkt mich darin, nicht nachzulassen.

Tobias Richtsteig: Wir sind Bläser aus Berliner Posaunenchören, unsere Kernkompetenzen sind Kirchenlieder und Choräle.  Wir erzählen damit von Gottes Frieden. Den kann man ja nicht herbeibeten oder im Service  bestellen. Den müssen wir hier verwirklichen. Daran erinnern wir. Der Krieg ist ja wieder ziemlich am Rand der öffentlichen Wahrnehmung, obwohl es nur ein paar Kilometer entfernt ist. Dann spielen wir auch Lieder aus der Ukraine, als Zeichen der Solidarität. Oft singt dann jemand mit, das ist ein wichtiger Kontakt zu den Menschen, deren Sprache wir ja nicht sprechen. Und wir spielen auch die schöne Hymne der Ukraine, die seit dem 19. Jahrhundert schon bezeichnend heißt: 'Noch ist Ukraine nicht Verloren'. Ein Lied aus dem Befreiungskampf damals wie heute. Wenn der Krieg in der Ukraine hoffentlich bald zu Ende geht, müssten wir eigentlich weiter machen, denn 'Frieden' ist mehr als das nur Waffen schweigen. Auch die Situation im Iran, in Afghanistan, das Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd, grob gesagt, sind ja weit von 'Frieden' entfernt. 

Christian Syperek: Das Ziel ist es, immer wieder auf den furchtbaren Krieg aufmerksam zu machen, den leidenden Menschen unsere Solidarität zu zeigen, und in der Öffentlichkeit sichtbar und hörbar für Frieden einzutreten.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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