22.04.2022
Carmen Khan ist seit März diesen Jahres Pfarrerin in der Flüchtlingskirche
Von Amet Bick
Lange war es relativ ruhig in der Flüchtlingskirche St. Simeon, nahe dem Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg. 2015 wurde dieser besondere Ort gegründet. Wegen Corona wurden dann jedoch die meisten Aktivitäten eingestellt, nur die Beratungsstellen hatten durchgängig geöffnet. Doch nun kommt wieder Bewegung in den Backsteinbau in der Wassertorstraße. Das liegt daran, dass die Corona-Beschränkungen weitestgehend gefallen sind. Es liegt natürlich am Krieg in der Ukraine und dass dadurch das Thema Flucht wieder stark in den Fokus gerückt ist. Und es liegt an Carmen Khan, die am 1. März diesen Jahres neu als Pfarrerin in der Flüchtlingskirche angefangen hat.
„Flucht und Migration, das sind die Themen an diesem Ort“, sagt Carmen Khan. Mit einer halben Stelle ist sie in der Flüchtlingskirche. Ihr Mann stammt aus Bangladesch, ihre beiden Kinder werden sowohl im muslimischen wie im christlichen Glauben erzogen. Sie möchte in der Flüchtlingskirche auch wieder verstärkt inhaltlich arbeiten, etwa an Themenabenden zu bestimmten Ländern, zu Fluchtursachen und Fluchtrouten. Das Internation Dinner, zu dem einmal im Monat eingeladen wird, bringt Geflüchtete und ehrenamtlich Engagierte zusammen. Bei Familiennachmittagen treffen sich Menschen aus vielen Nationen. Von großer Bedeutung ist auch die Sozial- und Rechtsberatung, die etwa bei den langwierigen Verfahren zum Aufenthaltsstatus hilft.
In der näheren Umgebung von St. Simeon gibt es drei größere Unterkünfte für Geflüchtete – sie kommen aus Eritrea, Afghanistan, Kurdistan, Nigeria, Sudan, Syrien, Irak. Und aus der Ukraine. „Ich erlebe jeden Tag Krieg“, sagt Manal Seifeldin, Projektkoordinatorin in der Flüchtlingskirche. „Die Menschen, die zu uns kommen, stammen zu 70 Prozent aus Kriegsgebieten. Der Krieg ist der Grund, warum sie fliehen mussten.“ Manal Seifeldin arbeitet seit 2019 in der Sozial-Beratung. Sie geht auch in die Unterkünfte und lädt die Menschen ein, in die Flüchtlingskirche zu kommen. Sie selbst kam vor 20 Jahren aus dem Sudan, sie weiß was für Wunden durch Flucht entstehen, wenn man alles zurücklassen muss, was einem vertraut war, und in einem fremden Land von Null anfängt.
Carmen Khan will zu all dem Bewährten, das es bereits in St. Simeon gibt, noch etwas hinzufügen – eine spirituelle Dimension. Der Kirchenraum wird momentan nur sonntags von einer charismatischen Gemeinde aus Ghana genutzt. Carmen Khan träumt davon, die Kirche wieder für alle zu öffnen, so dass Geflüchtete hier beten und eine Kerze anstecken können, dass man hier Andacht hält und gemeinsam das Leid ausspricht und vor Gott bringt. „Die Menschen haben fürchterliche Erlebnisse auf der Flucht. Warum lässt Gott das zu? Diese Ratlosigkeit, Trauer und Klage soll einen Ort bekommen.“
Mit einer halben Stelle ist nun auch noch eine Musikerin, die aus der Ukraine stammt, Teil des Teams. Sie soll vor allem zu den Geflüchteten von dort Kontakt aufbauen. So sehr Carmen Khan und Manal Seifeldin es auch begrüßen, dass momentan versucht wird, die Ankunft hier für Menschen mit einem ukrainischen Pass zu erleichtern, so sehr fragen sie sich, warum das nicht für alle Geflüchteten möglich ist. „Es gibt viele Erfahrungen von Diskriminierungen, gerade bei Menschen, die aus der Ukraine fliehen mussten, aber keinen ukrainischen Pass haben, sondern bereits dort Geflüchtete waren oder dort studiert haben“, sagt Manal Seifeldin. In den Beratungen würde das immer wieder angesprochen werden. Die Flüchtlingskirche will für alle da sein, egal woher sie kommen – ein Ort, an dem es Beratung und Unterstützung gibt, ein Raum, in dem Ratlosigkeit und Trauer gemeinsam vor Gott gebracht werden können.